In den 12 Erzählungen von John Burnside geht es um Liebe im weiteren Sinne. Um elterliche, um schwindende, um zersetzende, um besitzergreifende, um entschwundene, um abgenutzte, um eine “unmögliche” Liebe drehen sich die zwölf seidenfein gesponnenen Geschichten. Jede eine Perle für sich, mit Sätzen, die man einrahmen müsste. Zwei Beispiele, so als Appetitizer. Der Lastwagenfahrer, der einen Anhalter mitnimmt, einen jungen Burschen in Frauenkleidern. Gerade noch hatte er Melasse ausgeliefert, darüber sinniert, dass er es ob den Bedenken seiner Ehefrau nicht mehr zur vergötterten Tochter in den USA schaffen wird, weil er todkrank ist. Beide, Fahrer und Zugestiegener, machen sich in Gedanken ein Bild vom Leben des Anderen. Der Junge steigt aus, der Fahrer fährt heim, und noch zu Hause, bemüht seine Gattin nicht zu wecken, sinniert er über den Jungen. Solcherart sind die Geschichten, die in sich eine Tiefe haben, wie es mancher Roman nicht auf 1000 Seiten schafft. Die Jugenderinnerung an eine Familie, die mit ihren perfekten italienischen Kindern eine Gelateria im irischen Dorf betreibt. Der Erzähler will mit den beiden Kindern, die er anhimmelt, auf den Rummel, doch als er wie abgemacht in der Eisdiele eintrifft, sind diese schon gegangen, er wurde versetzt. Die sonst so wenig sichtbare Signora serviert ihm zum Trost eine perfekte “Pêche melba”. Dieses kulinarische Erlebnis wird so beschrieben, dass das Wasser im Munde zusammenläuft. Doch die Geschichte endet tragisch, es ist die letzte “Pêche melba”, die jene schöne Signora zubereitet hat. Es sind die kleinen Leute, glanzlose Antiheldinnen und Einzelgänger, die den Geschichten als Protagonisten dienen, es sind oft festgefrorene Beziehungen, die sie in den Geschichten verbinden und doch glänzen diese Geschichten durch poetische und virtuose Sprache und mit präzis beschriebenen Details und Stimmungen. Es sind gelebte, gar zerlebte Lieben in Geschichten, die das Leben in nüchterner Prosa schreibt und von einem großartigen Könner in Sätze voller Poesie und Kraft gemeißelt werden. Man kann die gleiche Geschichten mehrmals lesen und entdeckt neue Tiefen, liest sie anders.