Zur See ist ein richtiges Nordseebuch. Dörte Hansen fängt das Raue der Nordseeinsel ein, das Nicht-nur-Schöne. Es geht immer wieder um die Veränderungen, die der Tourismus bringt. Er drängt das alltägliche Leben an die Ränder, das Echte stirbt aus und wird durch Attrappen ersetzt. Die Fischer geben das Fangen auf, bauen ihren Krabbenkutter um und machen Showfischen mit Tourist*innen. Die Saison wird immer länger, beherrscht den ganzen Sommer, dann auch den frühen Herbst, und die Tourist*innen kommen nicht mehr für eine ganze Woche, sondern nur noch für zwei, drei Tage. Die echten, alten Häuser werden für viel Geld verkauft an Menschen vom Festland, die sie kaum bewohnen.
Was ist noch echt? Was haben die Inselbewohner*innen selbst überhaupt noch gemeinsam mit ihren Vorfahren, die Walfang betrieben? Als ein junger Wal angespült wird, weiss niemand so recht, was man damit machen muss. Er wird in Stücke gesägt und mit dem Bagger abtransportiert. Dabei wird die Vergangenheit im Roman nicht verklärt. Der Walfang zum Beispiel war hart.
Der Roman ist aus einem Guss verfasst, spannend und melancholisch. Manchmal erdrückt er allerdings die Natur mit platten Weisheiten. Und im Rückblick scheint er doch gerade etwas zu perfekt konstruiert, selbst schon fast wieder eine Attrappe (ich schliesse mich da der Rezension von hans-peter-wicki an).
Insgesamt ein schöner Roman, keine experimentelle Kunst, aber perfekt, um von der Nordsee zu träumen.