Rachel Cunnigham ist sofort einverstanden, als der Reporter Trevor sie um ein Interview bittet. Nicht nur, dass Trevor der Bruder eines Mitpatienten ist, Rachel hofft durch das Interview klarer zu sehen. Seit sie nämlich elf Jahre alt ist, lebt sie in der psychiatrischen Klinik Newberry in Michigan. 15 Jahre zuvor ist ihre Mutter gestorben und das durch Rachels Hand, wie sie sich erinnern kann. Doch stimmen diese Erinnerungen mit den tatsächlichen Ereignissen überein?
Das ganze Buch über hat mich die Frage, ob und warum die elfjährige Rachel ihre Mutter getötet hat, nicht losgelassen. Man spürt sehr gut, wie Rachel zweifelt und sich fragt, wie und ob sie ihre Mutter Jenny getötet hat. Sehr fesselnd und ausgesprochen spannend zieht sich diese Frage durch die ganze Geschichte.
Eine Geschichte, die einerseits Kapitel aus der Sicht von Rachel in der Gegenwart und andererseits Kapitel aus der Vergangenheit von Rachels Mutter Jenny beinhaltet. Beide Stränge sind komplett unterschiedlich, ergänzen sich jedoch hervorragend. In der Gegenwart erfährt man alles über das Trauma, als Kind die eigene Mutter umgebracht zu haben. Die Figur Rachel ist sehr überzeugend charakterisiert und mir hat die junge Frau sehr leidgetan. In der Vergangenheit steht Jenny als junge Mutter im Mittelpunkt, die mit ihrem Mann Peter in die Wildnis flüchtet. Den Grund dafür verrate ich hier nicht. Nur so viel: Mich hat der Auslöser für diesen Umzug fasziniert und bewegt, betrifft es einerseits die Eltern – Kind Beziehung, andererseits ein Thema, das Stoff für Thriller ist. Sehr unvorhersehbar dreht sich die Story in eine Richtung, die mich überrascht hat.
Karen Dionne schreibt sehr eindringlich und kann es sich leisten, dass in den Kapiteln von Jenny in der Vergangenheit sehr viele naturwissenschaftliche Ausführungen enthalten sind. Ausführungen, die sich bestens in die Hauptgeschichte einfügen und keine Minute langatmig sind. Jenny und ihr Mann Peter arbeiten nämlich als Biologen und wo sie Bären studiert, ist Peter vor allem an der Vogelkunde interessiert. Eine weitere Figur arbeitet im Bereich Taxidermie, was einerseits gruselig, andererseits thematisch sehr passend eingestrickt wird.
Das Setting fand ich absolut toll und gelungen erklärt. Die alte Jagdhütte mitten im Nirgendwo, umgeben von Bären und anderen Tieren und im Winter zugeschneit, ist sehr atmosphärisch und stimmungsvoll beschrieben.
Mir hat dieser Thriller unheimlich gut gefallen, wenn mich auch zuerst Rachels Angewohnheit, mit Tieren zu sprechen, gestört hat. Sie manövriert sich nämlich unter anderem nach Aufforderung von Raben und einem Bären aus einer gefährlichen Lage. Doch irgendwann einmal konnte ich dies als gegeben hinnehmen, da es hier in dieser Geschichte einfach gepasst hat und stimmig rüberkam.