«Café Leben» ist der Debutroman der Engländerin Jo Leevers. Sie erzählt die Geschichte von zwei Frauen in deren Leben es bemerkenswerte Parallelen gibt:
Henrietta ist die jüngere der beiden. Sie ist pingelig, verbissen, häufig allein und deshalb im Umgang mit Menschen ungeübt.
Annie ist die ältere der beiden. Sie ist lebensfroh, etwas schrill, trägt gerne auffällige Kleidung und möchte das Leben auskosten. Doch während ihrer gemeinsamen Zeit entdeckt Annie, dass sie und Henrietta im Kern gleich sind: weich und verletzlich und darum ausnutzbar.
Beide Frauen lernen sich kennen, als Henrietta für das Projekt «Lebensbuch» Annie’s Geschichte aufschreibt, da Annie Krebs hat und nicht mehr lange leben wird. Dabei erfährt Henrietta vom unaufgeklärten Verschwinden von Annie’s Schwester Kathleen. Sie kann es nicht akzeptieren, dass die Polizei damals nicht viel unternahm, um Kathleen zu finden und beginnt mit eigenen Nachforschungen. Es sah damals so aus, wie wenn Annie’s Schwester in einem Kanal ertrunken wäre. Dies ist der Auslöser für Henrietta’s grosses Interesse an dem alten Fall, denn auch Henrietta hatte ein ganz ähnliches Erlebnis in ihrer Kindheit. Zwischen den beiden Frauen entwickelt sich eine enge Vertrautheit, aus der eine Freundschaft wächst. Henrietta öffnet sich Annie immer wie mehr und nimmt sich die Ratschläge der älteren Frau zu Herzen, die ihr ein offenes und lustvolles Leben vorlebt. Für Annie geht es bald nicht mehr nur darum, das Lebensbuch zu beenden, sondern sie möchte Henrietta als ihrer Freundin ihre Geschichte erzählen – um sich der Jüngeren anzuvertrauen, aber auch um das Gewicht ihrer bewegten Lebensgeschichte loszuwerden.
Zuerst hatte ich Mühe, mich in die Geschichte einzufinden – doch das Buch war packend geschrieben, somit kam ich nicht davon los. Die Kapitel von Annie sind sehr eindrücklich geschrieben, ich habe die Trostlosigkeit ihres schweren Lebens fast körperlich gespürt. Henrietta’s Kapitel waren gefühlt etwas leichter, obwohl auch sie ihr Bündel mit sich herumschleppt und wohl einiges in ihrem aktuellen Leben gerne anders hätte. Das Verschwinden von Annie’s Schwester gibt dem Buch zusätzlich die Note eines Kriminalromans. Ich sah Henrietta gespannt bei ihren Amateur-Ermittlungen zu und hoffte inständig, dass ich am Ende des Buches eine Auflösung bekomme – die es dann auch gab.
Die andere Dimension des Buches war für mich, der nahende Krebstod von Annie, der über der ganzen Geschichte schwebt und sie prägt. In schonungslosen Beschreibungen wird der Leser dabei mitgenommen, wie diese Krankheit Annie langsam aber sicher zu Grunde richtet. Dies hat bei mir viele Emotionen ausgelöst und darum kann ich sagen: es ist kein Buch, das einen kalt lässt! Die Situation von Annie erinnerte mich an die eigene Vergänglichkeit, aber auch daran, mein eigenes Leben nicht zu vergeuden. Somit habe ich mir aufgrund des Buches über mein eigenes Leben und wie ich es gestalten möchte Gedanken gemacht. Ich finde, wenn ein Buch das schafft, dann war es jede Minute die ich damit verbracht habe wert!