Hélène scheint mit 40 Jahren das Leben zu führen, dass sie sich selbst in ihrer Jugend immer gewünscht hat: Sie ist erfolgreich, hat Karriere gemacht und ist der ostfranzösischen Provinz entflohen und aus den dortigen Zwängen und Rollenbildern ausgebrochen. Doch trotz ihrer beiden Kinder ist die Frau nicht glücklich. Als Christophe, der die Heimatstadt der Beiden nie verlassen hat und dort ein ruhiges Durchschnittsleben führt, ihr wieder begegnet, nimmt das Leben von Hélène eine neue Wendung. Eine Affäre beginnt, die beide in die Vergangenheit zurückwirft und alte Wunden wieder ans Licht bringt.
Nicolas Mathieu erzeugt mit diesem Roman ein eindrückliches Bild des halbprovinziellen Lebens Ostfrankreichs und was es bedeutet, in einem immer währenden Kampf aus dem gewohnten Umfeld auszubrechen und in eine andere soziale Schicht aufzusteigen. Er seziert mittels Rückblenden, wie es für die beiden Charaktere war, aufzuwachsen und schließt dann mit der Handlung des Haupthandlungsstranges an und zeigt auf, womit Hélène und Christophe immer noch zu kämpfen haben. Dabei werden neben gesellschaftlichen Aspekten auch immer wieder ökonomische und vor allem politische Aspekte aufgerollt, sodass sich ein rundes Bild eines Ganzen ergibt.
Sprachlich verpackt der Autor das Ganze in ein vielschichtiges Konstrukt aus intensiven Beschreibungen von Umgebung und Lebensgefühl verpackt. Dadurch reduziert sich das Lesetempo zwar, im Generellen ist es aber so, dass das Buch nicht durch ein hohes Tempo auffällt. Vielmehr ist es so, dass man sich auf ein intensives und genaues Studium der beschriebenen Leben einlässt. Dadurch bleibt wiederum Platz für die ausschweifende Sprache Mathieus aber auch für eine komplexe Ausgestaltung der Protagonist:innen. Gerade Hélène und Christophe glänzen durch ihre Authentizität und ihre Vielschichtigen Wesenszüge.
Insgesamt also eine intensive und bunte Erfahrung, auf die man sich allerdings einlassen können muss, und genügend Zeit und Ruhe mitbringen sollte…