John Grisham, “The Godfather of Lawyer Fiction”!
Entweder bin ich an den schlechtesten Grisham Roman geraten oder der Mann hat früher zu viel mit dem Studium von Prozessakten verbracht. Die Story ist in etwa so spannend wie ein sechsstündiges Aktenstudium als Praktikant in einer Anwaltskanzlei. Meine erste Arbeitsstelle war übrigens eine sehr bekannte und renommierte Anwaltskanzlei in Zürich, ich kann mich also persönlich identifizieren. Dies ist auch der Grund, weswegen ich mir dieses Hörbuch auch unbedingt anhören wollte.
Der Altmeister kann jedoch nicht überzeugen. Zu viel Beilage, zu wenig Story. Und das Schlimmste: null Spannung! John Grisham’s “Der Anwalt” ist eigentlich ein Thriller ohne Spannung, der trotzdem noch lesbar bleibt. Ob das gut oder schlecht ist, sei jedem Leser selber überlassen.
Die Geschichte:
Kyle McAvoy ist ein zielstrebiger junger Student, der kurz vor seiner letzten juristischen Klausur an der Yale University steht. Eines Abends wird er von zwei suspekten Gestalten auf dem Heimweg von einem Basketballspiel verfolgt und kurz darauf zu einem Mann mit dem Namen Bennie Wright gebracht. Dieser gibt sich zunächst als FBI-Ermittler aus, lässt dann aber die Maske fallen und zeigt Kyle ein Videoband mit Aufnahmen aus der Zeit, in der Kyle noch an der Duquesne University studierte. Auf diesem Video solle er zu sehen bekommen, wie eine seiner Kommilitoninnen in seiner Wohnung vergewaltigt wird. Die Sachlage ist nie geklärt worden, doch von der Existenz eines Handy-Mitschnittes war während der damaligen Ermittlungen des Öfteren die Rede gewesen. Kyle sieht sich an, wie zwei seiner Kommilitonen mit der jungen Frau anfangs im Einverständnis - später aber unter Alkohol stehend - Sex haben und in dessen Verlauf feststellen, dass diese irgendwann das Bewusstsein verliert. Der junge Kyle beobachtet diese angebliche Vergewaltigungsszene von seinem Sofa aus kurzer Distanz. Bennie Wright erpresst ihn daraufhin. Kyle soll für ihn in der grossen New Yorker Anwaltskanzlei “Scully & Pershing” anfangen und dort über einen grossen Fall Informationen beziehen. Kyle stehen zu diesem Zeitpunkt alle Türen der Justiz offen, zwar soll seine Anwaltsprüfung noch bevorstehen, doch diese Hürde würde der brillante Student ohne Zweifel nehmen.
Also heuert er bei “Scully & Pershing” an und sieht sich nach einem ernüchternden Start bald in der Liga der grossen Prozessanwälte mit dem Fall, den Wright ihm aufgetragen hatte, vertraut. In diesem Prozess geht es um Rechte an einem vom US-Militär in Auftrag gegebenen Flugzeug. Die streitenden Parteien “Trylon” auf der einen und “Barton” auf der anderen Seite liefern sich, nachdem der Deal geplatzt war, einen unerbittlichen Kampf. “Trylon” ist Mandantin von S&P, womöglich ist sie sogar die wichtigste zum damaligen Zeitpunkt. Auch Kyles damalige Kommilitonen werden von Wrights Leuten ständig überwacht. Die meisten haben den Vorfall bereits vergessen bzw. verdrängt, sodass Kyle sich einzig und allein Joey anvertraut und mit ihm einen Plan schmiedet, um mehr über seine Verfolger herauszufinden. Als Baxter Tate (einer der angeblichen Vergewaltiger) im Rahmen eines Alkoholentzugs über seine Vergangenheit nachzudenken beginnt, beschliesst dieser sich bei seinem früheren Opfer zu entschuldigen und um Vergebung zu bitten. Vermutlich folgen Wrights Männer Tate, denn noch bevor er sich mit dem früheren Opfer treffen kann, wird er ermordet.
Jetzt vertraut sich Kyle seinem Vater und einem Anwalt an und schaltet das FBI ein. Er trifft sich parallel immer noch mit Wright. Er soll die Aufgabe erhalten, mithilfe technischer Vorrichtungen Dokumente aus der digitalen Datenbank der Kanzlei S&P zu stehlen. John McAvoy, Kyles Vater, selbst Rechtsanwalt in York, verhandelt unterdessen mit dem Anwalt des Vergewaltigungsopfers und handelt einen Vergleich aus. Der Plan des FBIs, Wright bei der Übergabe der Unterlagen dingfest zu machen, scheitert noch, bevor Kyle diesen ein letztes Mal zu Gesicht bekommt. Nach dem missglückten Zugriff verlässt Kyle die Kanzlei und New York und schliesst sich seinem Vater als Partner in der Kanzlei “McAvoy & McAvoy” an. (Text: Zusammenfassung wikipedia.de)
Meine Meinung:
“Grisham, auf der Höhe seines Schaffens.” Das zumindest will uns die New York Times zu diesem Roman von Grisham weismachen. Da scheint mir mal wieder einer zu viel Vetterchenwirtschaft betrieben zu haben oder schlichtweg den Roman nicht gelesen zu haben. Dieser Grisham Roman ist zwar in seiner Story interessant, jedoch schafft es der Autor nicht, echte Spannung aufkommen zu lassen. Insbesondere das Ende der Geschichte hat mich sehr enttäuscht, eigentlich erfährt man nicht einmal, wer die Erpresser von Kyle McAvoy wirklich sind. Ein bisschen FBI Interaktion und die Sache ist erledigt. Aber erledigt ist gar nichts. Die Erpresser nehmen vor dem Finale schon Reissaus und der Protagonist Kyle McAvoy findet: “Nö liebes FBI, Zeugenschutzprogramm ist doof. Ich bin doch noch so jung….ich gehe meinen Weg ohne Euch weiter, auch ohne Eure Hilfe”. Schnitt! Cut. Story beendet.
Sieht so ein befriedigendes Romanende aus? Finale? Fremdwort! Dieses Hörbuch zu hören hat mich daran erinnert, wie es ist, sich einen Abend in der Disco mit einem Fremden zu amüsieren, nur um dann zu merken, dass er sich kurz vor Mitternacht an die Nächste ranschmeisst. Ein Vorspiel ohne Höhepunkt. Ein Lese-Flop! Einzig und allein spannend fand ich, wie das hinter den Kulissen so abläuft bei einer grossen, renommierten Anwaltskanzlei an der Wallstreet. Aber wenn das den geneigten Leser nicht wirklich interessiert, hat man auch hier Pech gehabt.
Über das Hörbuch:
Eigentlich gibt sich der Hörbuchleser viel Mühe. Charles Brauer’s Stimme passt hervorragend zur Story und seine Leistung ist wirklich vollumfänglich professionell und gefällt. Aber auch der beste Vorleser kann die halbherzige Story leider nicht interessanter machen.
Fazit:
Eine Grisham Story, mit einerseits viel Inhalt, andererseits ohne Spannung und einem erst recht total unbefriedigendem Finale. Bedauerlicherweise gelingt es Grisham mit diesem Roman nicht, an seine früheren Erfolge anzuknüpfen.