Ich kenne den inneren Zwiespalt zweier Mentalitäten, den bekannten Kulturschock und das „sich anpassen müssen“, weil man nicht immer verstanden wird in seiner Denkweise. Vor ein paar Jahren habe ich das sonderbare Buch “Nonno spricht” von Patric Marino gelesen und rezensiert.
Nonno spricht ist echt ein gelungenes Buch mit feinfühligen, differenzierten Eindrücken, die der Secondo Patric Marino während seines längeren Aufenthaltes bei den Grosseltern in Italien literarisch festhält.
Von “Ein unfassbares Land” oder “Die zwanzig Dinge meiner Kindheit” erwartete ich eine kritische Sichtweise eines Einwanderers aus Rumänien. So wird es zumindest auf dem Klappentext suggeriert: eine Biografie eines Autoren, der als Kind in die Schweiz eingewandert ist. Die Bibliothekarin unserer Gemeindebibliothek äusserte, auf das Buch angesprochen, es verspräche mehr als es einhalten würde. Sie habe es bereits gelesen. Dennoch wollte ICH es selber lesen. Manchmal sollte man einfach zuhören, wenn jemand seine Meinung äussert.
“Ein unfassbares Land” oder “Die zwanzig Dinge meiner Kindheit” handelt von Eugène, der mit seinem Bruder im sozialistischen Rumänien bei der Grossmutter aufwächst, während die Eltern bereits in der Schweiz arbeiten. Leider durften die Eltern die Kinder nicht in das „gelobte Land“ Schweiz mitnehmen und mussten später nochmals nach Rumänien zurückkehren, um die Kinder abzuholen. So kommt es, dass Eugènes Leben von zwei grundverschiedenen Kulturen geprägt wird. Der Autor beschreibt in seiner Biografie zwanzig Dinge, die seine Kindheit geprägt haben: zum Beispiel ein Kilo Tomaten, „Das Imperium schlägt zurück“ als Modellbausatz, ein Anatomiebuch usw. Und genau in der Struktur der zwanzig Dinge (gute und weniger gute Dinge) sind die Kapitel jeweils aufgeteilt. Zeitsprünge von mehreren Jahren sind somit vorprogrammiert. Die einzelnen Kapitel erzählen jeweils die Geschichte über das jeweilige Ding.
Meist sind die einzelnen Geschichten witzig und lustig erzählt. Eine umfassende Geschichte sucht man im Buch vergebens. Wie oben beschrieben, es handelt sich um zwanzig einzelne Erzählungen über die Dinge, durch die der Autor geprägt wurde. Ab und zu konnte ich lachen, aber meisten musste ich dabei gähnen. Leider schafft es dieses Buch nicht zu einem echten Buch im eigentlichen Sinne. Zu kurz, zu wenig Erzählstrang und ein nicht gut strukturierter Text vermiesen die Leselaune. Die Schweiz aus der Sicht eines Einwandererkindes wird nur ansatzweise erzählt. Es bleibt vor allem bei den lustigen Erzählungen.
Klar, es sind auch ernstere Themen, wie der Tod eines Familienangehörigen, mit von der Partie. Dennoch bleibt es bei einfach geschriebenen und unverfänglichen „Geschichtchen“. Da frage ich mich ehrlich gesagt, was der Autor während seines Literaturstudiums getrieben hat. Da nützt es auch nichts, dass der Autor ehrlicherweise über seine Sexfantasien aus seiner Kindheit berichtet. Warum ein solches Buch zudem einen Hörerpreis erhielt, ist mir schleierhaft. Wie ich so manche Preisvergaben und Literatursendungen von Schweizer Radio und TV teilweise nicht nachvollziehen kann.