Ob es fair ist, ein abgebrochenes Buch zu bewerten - und ihm so die Chance zu verweigern, am Schluss doch noch gut zu sein?! - Ich lasse die Beantwortung offen - und gebe dafür mein ‘Warum’ zum besten!
Das Buch hat durchaus Witz, Ironie und anfänglich auch Originalität und Drive - es wurde mir aber zunehmend zu ‘langfädig’…
Da ist Björn Diemel, seines Zeichens Anwalt, der sich unversehens zur Ichfindung auf dem Jakobsweg wieder findet. Zunehmende ethische Kollisionen in seinem Beruf liessen ihn immer tiefer sinken - bis an den Grund eines Burnout’s. Letztendlich macht er sich selbstständig, findet seine Klientel im Milieu - und wechselt selbst die Seite… Als ihm alles irgendwie über den Kopf wächst, zieht er die Notbremse und lässt sich von einem Achtsamkeitstrainer coachen. Während Diemel die Anregungen Joschka Breitners ad absurdum führt, versteht dieser sein Metier durchaus. - Als Diemels ‘achtsam’ gefeierter 45. Geburtstag endgültig im Desaster endet, ist es Zeit für eine Kehrtwende. Breitner rät, die letzten 800 Kilometer vor Santiago die Compostela zur Ich- und Sinnfindung zu pilgern.
Entsprechend ausgerüstet, inkl. Pilgerbuch seines Coaches und eines zu beschreibenden, leeren Tagebuches startet Diemel in Saint-Jean-Pied-de-Port. Alles Erlebte - jetzt und retrospektiv - wird achtsam analysiert und reflektiert - war die Geschichte bis anhin flüssig zu lesen, hängt sie für mich ab hier komplett durch… Die langen Selbstbespiegelungen nerven mich - die Geschichte verliert Verve - obwohl es durchaus tiefsinnige, ja philosophische Passagen hat, die wertvoll sind - aber die Rückblicke, die so penibel in die Länge und Breite gewalzt werden, geben mir den Rest - und nehmen dem Buch die Chance.
…ob’s also auf dem Jakobsweg doch noch spannend geworden ist, witzig, tiefsinnig oder was auch immer, müssen die Zu-Ende-Lesenden bewerten!