Im kleinen irischen Dorf Kilcross lebt Jeanie Masterson. Sie ist verheiratet mit ihrem Jugendfreund Niall und arbeitet zusammen mit ihrem Mann, ihrem Vater und ihrer Tante im Familienunternehmen. Die Mastersons sind Bestatter. Während Niall und Tante Harry sich um das Einbalsamieren und Herrichten der Verstorbenen kümmern, verfügen Jeanie und ihr Vater über eine besondere Gabe: Tochter und Vater können innerhalb einer gewissen Zeitspanne mit den Toten sprechen. Von ihnen erhalten sie wichtige Informationen, hören berührende oder verstörende Geständnisse und werden gebeten, wichtige Botschaften an die Angehörigen zu überbringen. Diese Gabe ist für Jeanie Erfüllung und Belastung gleichermassen. Denn oft bekommt sie von den Verstorbenen Dinge zu hören, die sie so nicht an die Hinterbliebenen weitergeben möchte. So fühlt die junge Frau sich hin- und hergerissen zwischen ihrer Verantwortung den Toten und den Lebenden gegenüber und greift immer öfter zu beschönigenden Lügen. Und auch mit ihrer Ehe steht nicht alles zum Besten. Niall wünscht sich Kinder und ein Leben am Meer, Jeanie fühlt sich ihren Eltern verpflichtet und nicht bereit für Kinder. Als die Eltern ihr eröffnen, sich in den vorzeitigen Ruhestand zurückziehen und sie zur Geschäftsführerin machen zu wollen, eskaliert die Situation zwischen den jungen Eheleuten, und Jeanie ist gezwungen, eine Entscheidung zu treffen: Folgt sie wieder ihrem Pflichtbewusstsein oder entscheidet sie sich diesmal dafür, was sie wirklich für sich und ihr Wohlergehen möchte und benötigt?
Meine Meinung:
«Die Bestatterin von Kilcross» ist ein Buch, das ich nicht aus der Hand legen konnte. Vor vielen Jahren habe ich immer sehr gerne die Serie «Ghost Whisperer» geschaut, deswegen hat mich der Klappentext des Romans gleich angesprochen. Vordergründig geht es um die Geschichte einer Selbstfindung und Selbstverwirklichung. In diese Rahmenhandlung eingewoben werden dann aber Gedanken darüber, wie wir mit den lebenden und gestorbenen Menschen, die uns nahestehen, wirklich angemessen und wertschätzend umgehen. Leben und Tod spielen ebenso eine Rolle wie der Umgang mit Krankheit, Gewalterfahrung, Ausgrenzung oder Lüge. Im Angesicht des Todes wird immer wieder über die Frage der verpassten Chancen reflektiert. Dabei erzählt Anne Griffin stets in einem leichten und oftmals erheiternden Stil, der aber die grossen Themen unseres Lebens gerade dadurch umso eindrücklicher ins Bewusstsein bringt. Berichte aus dem gegenwärtigen Leben der Protagonistin wechseln sich ab mit Rückblenden, sodass man als Leserin nach und nach immer besser versteht, warum Jeanie zu der Person geworden ist, die sie jetzt ist. Im Verlauf der Erzählung lernt Jeanie durch Zufall eine andere Art des Umgangs mit den durch die Toten offenbarten Wahrheiten kennen. Die Begegnungen mit der französischen Bestatterin Marielle gehören für mich zu den eindrücklichsten Stellen in dieser Erzählung. Doch am Ende kommt es darauf an, dass Jeanie lernt, nicht nur den Toten, sondern vor allem auch den Lebenden gut zuzuhören. Anne Griffin ist ein Roman gelungen, der ebenso berührt wie nachdenklich stimmt und sich dabei sehr angenehm liest. Die deutsche Übersetzung stammt von Martin Ruben Becker. Den sehr schönen Umschlag ziert ein Gemälde von Peter Bartels, auf dem Jeanies Arbeitsplatz und ein Teil des Dorfes Kilcross zu sehen ist. Von mir gibt es eine ganz klare Leseempfehlung für dieses besondere Buch.