Distanziert, aber keineswegs kühl, obgleich nüchtern so doch nicht ganz trostlos blickt Annie Ernaux mit Respekt und Behutsamkeit auf das Leben ihrer Mutter - den Wurzelgrund, aus dem diese kommt - und sie zu jener machte, die sie war - mit allen Plus- und Minuspunkten - in der Verflechtung mit ihrem eigenen Leben als Tochter dieser Frau.
Innerhalb weniger Monate reflektiert Ernaux das Leben ihrer Mutter, nachdem diese relativ unvermittelt, wenngleich nicht überraschend mit Alzheimer in einer Pflegeeinrichtung stirbt.
Sie will das Sterben und die Lücke einordnen, im Reflektieren das eigene Leben ebenso sortieren, wie die Mutter verstehen und vielleicht auch das schwierige Verhältnis ein Stück weit heilen.
Es ist ein stilles Büchlein, das immer wieder an Wunden rührt und doch auch Schönes herauf beschwört, das Fragen stellt und Antworten sucht - und einem so ein Türchen öffnet, das eigene Leben zu reflektieren. Denn der Tod hinterlässt nicht nur eine Lücke, sondern oft genug auch Fragen und mehr - wie Ernaux am Schluss selber schreibt:
Sie, ihre Worte, ihre Hände, ihre Gesten, ihr Gang und ihre Art zu lachen waren es, die die Frau, die ich heute bin, mit dem Kind das ich gewesen bin, verbunden haben. Ich habe die letzte Brücke zu der Welt, aus der ich stamme, verloren.