Ein interessanter Einstieg, den Heymel in diesem Buch vorlegt, bevor er an die eigentliche Auslegung geht, er zäunt das Pferd (quasi) von hinten auf:
Zunächst spürt er den ‘Vor-urteilen’ nach oder auch dem ‘Vor-wissen’ das uns in Kunst, Musik und in der Wirkungsgeschichte als solches geprägt haben. Danach geht er auf die Probleme ein, die jede:r Exeget:in mit dem Johannesevangelium per se hat, um sich dann um diese ‘Probleme’ als ‘Eigenart’ dieses Evangeliums zu kümmern.
Erst jetzt steigt Heymel in die eigentliche Auslegung und Deutung des Textes ein - und es ist spannend, wie durch ihn dieses ‘hochtheologische’, oft beinahe ‘spekulative’ Evangelium zu einer ‘Glaubensschule’ wird - letztendlich zu einer Herausforderung, SELBER Stellung im Glauben zu beziehen.
Erhellend waren für mich die vielen Verknüpfungen und Verwebungen innerhalb des Textes, die sich leicht überlesen lassen und jene dieses Evangeliums mit Texten und Prophezeiungen des Alten /ersten Testamentes. Verblüffend ebenso die Details, die mir nieso richtig bewusst wurden - z.B. die bekannte Perikope (Geschichte) des Gesprächs mit der Frau am sog. Jakobsbrunnen, die mit Jesu Bitte um Wasser eröffnet wird. - Dass die Frau ihm tatsächlich Wasser gereicht hat, steht aber dann nirgends… oder die Frage, in welcher Sprache das Verhör zwischen dem Römer Pilatus und dem Juden Jesus statt gefunden hat. Interessant auch der Hinweis (im Ablauf kurz davor) zur Gefangennahme, dass Jesus sagt, er hätte keinen von den ihm Anvertrauten verloren gehen lassen, obwohl hier Judas, als Apostel, die Kohorte anführt…- Kann sein, dass man diese Details zunächst als bedeutungslose ‘Kleinigkeit’ abtun möchte - doch Heymel führt gerade auch über ‘Kleinigkeiten’ in die Fülle und Bedeutungsschwere des Textes.
Nach Heymel ist das Evangelium nicht nur für ‘Fortgeschrittene’, sondern ebenso für ‘Anfänger’ geschrieben. - Wobei ich hier anmerken möchte, dass doch einiges an ‘Kenntnis’ voraus gesetzt wird.
Insgesamt eine sehr lohnens- und empfehlenswerte Lektüre, da gerade das Johannesevangelium LEIDER durch seine Wirkungsgeschichte (nur ein Stichwort: Antisemitismus) negativ aufgeladen ist.