Silones Roman, der 1936 als «Brot und Wein» entstand, den er aber 1955 in seinem Schweizer Exil überarbeitete und als «Wein und Brot» herausgab, spielt in den Jahren 1936/37 und ist noch heute hochaktuell. Vor allem gibt er dem mit dem deutschen Nationalsozialismus besser vertrauten Schweizer Publikum einen historisch realen Einblick in den italienischen Faschismus.
Der Protagonist Pietro Spina, alias Don Paolo Spada, steht stellvertretend für den Leidensweg seines Autors: Kindheit in der kargen Landschaft der Abruzzen und das den Rest seines Lebens prägende Erdbeben, bei dem seine Mutter und fünf Geschwister ums Leben kommen:
…dass er ungesehen Zeuge einer entsetzlichen Rohheit wurde. (während des Erdbebens); dass es ein Verwandter oder jemand aus dem engsten Freundeskreis der Familie gewesen sein muss.
Es war ein Raub, den der Täter an einem Schwerverwundeten oder Sterbenden beging. Der Unglückliche lag halb begraben unter den Trümmern, und anstatt ihm zu helfen, nahm der Täter alle Wertsachen an sich, die der Verwundete gerettet hatte. (p 260)
Spina, der sein Leben lang für eine bessere Existenz der armen Bauern, der cafoni, kämpft, wird ein Opfer der politischen Strömungen seines Landes. Die Faschisten regieren, unterdrücken mit ihrer Propaganda-Maschine alles freie Denken, Schwarzhemden jagen Verräter, machen die Leute zu Spitzeln, drängen das Volk ins Partisanentum.
Spina versteckt sich, tarnt sich als Priester und verzweifelt an der Einfachheit der Bauern, an ihrem Aberglauben, an ihrer Genügsamkeit.
Während sie den Lauf der Dinge akzeptieren, sogar frenetisch dem Duce und dem Kriegseintritt in Abessinien zujubeln, probiert Spina verzweifelt, Mitstreiter für sein Anliegen zu finden.
Aber er wird total desillusioniert, muss zusehen, wie einstige Weggenossen aufgeben, aufgeschreckt und eingeschüchtert durch die Schergen Mussolinis:
Zuerst tritt er aus der Kirche aus, dann geht er nach Rom und entfremdet sich von seinen Parteigenossen, denn er kann sich nicht mehr mit den Widersprüchen der kommunistischen Partei zurechtfinden. Er merkt, dass sie in ihrem Dogma genau der Diktatur gleichen, die sie bekämpfen.
In dieser Situation (mit den Worten des Autors: Ich bin ein Sozialist ohne Partei und ein Christ ohne Kirche.) kehrt der getarnte Geistliche in die Abruzzen zurück und setzt seinen Kampf gegen den Faschismus im Namen von Prinzipien fort, die in seinem Gewissen gewachsen sind.
Der Roman hat seine Stärken:
Im einfachen Stil, der das karge Leben der Bevölkerung spiegelt und ihre Gedanken lebhaft werden lässt.
In der gelungenen Beschreibung der Natur, der Verbundenheit und Abhängigkeit der Menschen von ihr.
Ein grosser Wurf geling Silone mit der Schilderung des tief verwurzelten Aberglaubens: «il malocchio» regiert, die Kräuterhexe hilft und Don Paolo muss sich vor religiöser Verehrung schützen. Träume, Vorahnungen, Mythen sind allgegenwärtig.
Zu den Schwächen zählen die manchmal krampfhaft verwobene Struktur von Pamphlet und Abenteuer, so überrennt die politische Botschaft manchmal den Lauf des Romans.
Zudem schienen mir bei der Lektüre gewisse Charaktere überzeichnet, zu Cliché-haft sollten sie dem Text dienen.
Auch hätte ich mir mehr zur Liebesgeschichte zwischen Don Paolo und Cristina gewünscht.
Alles in allem ein eindrückliches Zeitdokument mit der überzeugenden Botschaft, dass das Gewissensprinzip von Solidarität langfristig zu Freiheit und Gerechtigkeit führen kann.
„In jeder Diktatur gefährdet ein Mensch – auch ein gewöhnlicher kleiner Mann – der sich das Denken mit dem eignen Kopf nicht abspenstig machen läßt, die öffentliche Ordnung.“
Dieser Satz lässt Hoffnung keimen.
Vergleiche mit aktuellen Situationen bieten genügend Denkanstösse.