Wochen hatte ich dieses Buch eingeschweisst auf dem Nachttisch stehen - pure Angst, es würde mich enttäuschen, nachdem “Kürzere Tage” ein einschneidendes Leseerlebnis für mich war. Gottsseidank war die Angst unbegründet - so elementar ergriffen wie bei “Kürzere Tage” war ich nicht, aber “Am Schwarzen Berg” ist ein grossartiges Buch.
Wieder spielt der Roman in Stuttgart, wieder schaut Hahn verschiedene soziale Schichten unter der Brennlupe an. Im Fokus stehen zwei Familien die “am schwarzen Berg” wohnen, Nachbarn sind, eine kinderloses Paar, eines mit Kindern. Emil beobachtet, wie der erwachsene Sohn seiner Nachbarn zurückkommt, fast kriecht, er ist krank, seine Frau ist mit den Kindern durchgebrannt, er ist am Ende. Um diesen Peter geht es, und um seine erfolgsorientierte Frau, die ihre soziale Schicht (nicht das klassische Bildungsbürgertum wie bei Peter, sie ist die Tochter einer Putzfrau und hat sich hart nach oben gearbeitet - was ihr aber nicht reicht), ihre Ängste, ihre Sicht aufs Leben. Es ist schwer zu beschreiben, was passiert, aber Hahn seziert, ohne ein scharfes Messer anzusetzen. Diese Autorin vermag es so gut zu beobachten, dass einem schwindelig werden kann beim Lesen.
Die zweite Ebene, die um den grossen schwäbischen Dichter Mörike kreist, wird sacht eingezogen und verstärk sich immer mehr. Hann gelingt das Kunststück uns vorzugaukeln, dass die Geschehnisse aus Mörikes Leben auch heute noch Auswirkungen haben.