Rademacher entführt uns auf eine Kreuzfahrt in den Orient Ende der 1920er-Jahre. Dekadenz, Opulenz, Drogen und Geschäftemacherei der wilden 20er toben noch. Der Börsencrash ist aber schon nahe. Sehr nahe.
Mit an Bord des Schiffes Champollion gehen in Marseille nebst einigen anderen skurrilen Figuren auch die Händlerfamilie Rosterg. Im Fokus dabei die Rosterg-Tochter Dora und ihr Gatte Theodor (ein Fotograf der “Berliner Illustrirten”).
Auf dem Weg durchs Mittelmeer, durch den Suezkanal und weiter in den arabischen Raum bis Maskat verschwindet relativ bald mal Dora spurlos. Und alle auf dem Schiff behaupten, sie nie gesehen zu haben. Theodor ist also auf einer fast aussichtslosen Mission: Wie kann er bis zum Ende der Passage in Maskat beweisen, dass seine Frau auf dem Schiff war/ist? Wie kann er selbst vermeiden, verdächtig zu werden? Und welche krummen Dinger laufen da??
Rademacher versteht es ausgezeichnet, diese etwas an Agatha Christie erinnernde Geschichte atmosphärisch zu erzählen. Setting, Beschreibungen und Atmosphäre lassen die Lektüre zu einem Ereignis der Sinne werden, ein richtiger Pageturner. Historische Details lassen einen als Leser immer wieder nachschlagen… Richtig richtig gut!
Strukturell ist die Geschichte manchmal ein wenig überkonstruiert und die Charaktere sind doch sehr schablonenhaft. Teilweise ist ihre Motivation auch schleierhaft. Etwas mehr Tiefe hätte nicht geschadet. Andererseits ist es eine Art Scharade, eine typische Who-dunnit-Geschichte auf dem engen Raum eines Kreuzfahrtschiffes. Eine tiefenpsychologische Charakterstudie eignet sich da auch wenig…😉
Mehr sei hier nicht verraten, keine Spoiler… Lest selbst. Eine ausgezeichnete Sommerlektüre, die ich trotz ein paar kleiner Mängel in Konstruktion und Charakteren sehr gern gelesen hab!