Ein offenes und ehrliches Buch. Schonungslos legt der Autor die Charaktere seiner Familie bloss, deckt Schwächen und Fehltritte auf. Die Nazizeit mit ihren Greueltaten der Judenverfolgung ist noch sehr präsent. Vor allem geht es aber um Edgar Selge Senior, den Vater, den Gefängnisdirektor, zu dem er ein sehr ambivalentes Verhältnis hat. Der Vater schlägt Edgar oft, um ihn zu Recht und Ordnung zu erziehen. Die Mutter wird als zart beschrieben. Es heisst, dass sie nicht gemacht ist für einen Männerhaushalt mit 5 Jungs und Ehemann. Der Tod von zwei Kindern im Verlauf der Geschichte prägt die gesamte Familie nachhaltig. Edgar Selge beschreibt seine Kindheit und Jugend sehr detailliert, er gibt den Leser:innen einen tiefen Einblick in sein Denken und Fühlen, so dass das Kino im Kopf stark nachhallt. Obwohl es eine grosse Familie ist, ist er oft alleine, und er ist anders. Zu seinem jüngeren Bruder findet er keinen Zugang, lediglich sein älterer Bruder Martin ist als Ratgeber manchmal für ihn da. Edgar ist ein brillianter Beobachter und sehr aufmerksam mit feinen Antennen für seine Umgebung. Wenn man das Buch gelesen hat, ahnt man, wieso Edgar Selge ein grossartiger, erfolgreicher Charakterdarsteller werden konnte.