Das Buch beginnt mit dem unerhörten Vorfall, der seinerzeit alle Seeleute in den fernöstlichen Häfen beschäftigt hat. Das Sinken eines Frachtschiffes und der Prozess, der den Verantwortlichen gemacht wurde, die das Schiff sang- und klanglos im Stich ließen. Der alte Marlow erzählt dem geneigten Leser das wundersame Leben des jungen Lord Jim, der seinen Fehler auf dem Schiff als zweiter Offizier derartige Schande empfindet, dass er seine Ehre wieder herstellen möchte. Marlow setzt sich für ihn ein. Er wird von einem reichen Grosshändler ins ferne Batustan geschickt, um nach dem Rechten zu sehen. Dort wird er eine Art ritterlicher Beschützer des Dschungelresorts, Retter der aufrechten Krieger und Feind der korrupten Halsabschneider vor Ort. Doch war es falsches Heldentum oder jugendliche Naivität, er unterliegt den bösen Mächten vor Ort. Das Buch stammt aus einer Zeit, als Kolonialismus noch kein Schimpfwort war, als wir noch auf Erzählungen angewiesen waren, wenn wir was über ferne Länder erfahren wollten. Es gab noch keine Kamera im Mobiltelefon. Hätte es Netflix schon gegeben, sie hätten den Verfasser engagiert. Und dieser Joseph Conrad ist ein phantastischer Erzähler, einer der Welten schildern kann, wie es nur einer kann, der das Handwerk und die Arbeit der Seeleute gekannt hat. Seine Figuren sind meilenweit entfernt von den Klischees zeitgenössischer Reiseschriftsteller, halten aber auch dennoch nicht den Anforderungen heutiger political Correctness stand. Dafür gelingt ihm perfekt atmosphärische Dichte zu transportieren und der Seefahrt seiner Generation setzt er ein beeindruckendes nachhallendes und lesenswertes Denkmal. Und an detailreichen Schilderungen, stimmungsvollen Momentsufnahmen und eindrücklichen Beschreibungen können sich alle jene sattlesen, die befürchten, dass unsere Sprachentwicklung in Richtung Aneinanderreihen von Emojiis degeneriert. Es ist lesenswert, aber ob der Opulenz der geschilderten Welten auch anspruchsvolle Fleisslesearbeit, die belohnt wird.