Mit „Dschinns“ nimmt uns Fatma Aydemir mit auf eine Reise in die Welt einer Familie mit Migrationshintergrund. Sie beleuchtet die Familie aus den Perspektiven der Eltern und der vier Kinder, die die Leserin und den Leser mit in ihre jeweilige Welt und Wahrheit nehmen. Weder die Eltern, die aus der Türkei auswanderten, noch die Kinder scheinen je in Deutschland angekommen zu sein. Vater Hüseyin hat den Traum, in Istanbul nach der Pensionierung ein Heim und Ankerplatz für die ganze Familie zu schaffen. Dafür arbeitet er für diesen Traum und im Grunde arbeitet er sich daran zu Tode. Sein unerwarteter Tod ist der Ausgangspunkt dieses Familienromans. Es bricht all das Ungesagte in der Familie auf und man weiß nie, ob sich die Risse am Ende kitten lassen.
Jedes Familienmitglied bekommt in einem eigenen Kapitel Raum, gesehen zu werden und eigene Ängste, Empfindungen und Leerstellen zu offenbaren. Die Kapitel der Kinder werden aus der Perspektive der jeweiligen Protagonisten erzählt, während die Geschichte der Eltern von einem Erzähler berichtet wird. Vielleicht ja der „Dschinns“, die dem Roman seinen Titel gegeben haben. Durch diese Erzählweise wird deutlich, wie sehr jedes einzelne Familienmitglied mit Verletzungen, Unsicherheiten und seelischen Narben kämpft.
Etwas zu viel spielt mir Aydemir mit den Klischees eines Deutschlandes, das niemanden willkommen heißt, Fremdes wegstößt und Menschen gar nicht die Chance zu bieten scheint, anzukommen. Auch packt Aydemir aus meiner Sicht zu viele schicksalshafte Themen in den Roman. So ist es nicht nur die Geschichte des „Nichtankommens“ (weder der Eltern noch der Kinder), sondern auch die Geschichte um ein Baby, welches die Eltern Verwandten gezwungenermaßen überlassen müssen. Dazu kommen Alkoholismus, Eheprobleme, Homosexualität und dann noch Transsexualität, der Verlust eines geliebten Menschen (nicht nur des Vaters), Kleinkriminalität, die Auswirkungen der Fremdenfeindlichkeit ….. Ein paar Themen zu viel, die es aus meiner Sicht für den mir zentralen Aspekt der Geschichte nicht gebraucht hätte. Das eigentliche Problem ist für mich, dass Wahrheiten verschwiegen werden, man sich in den Grenzen, die sich in den Köpfen gebildet haben, einrichtet, einander nicht zuhört (es vielleicht nicht kann oder einfach nicht will) und so die Geschichte der Elterngeneration das Leben der Kinder bestimmt und sie mit den Auswirkungen im Kleinen und Großen zu kämpfen haben.
Insgesamt für mich ein Roman, der aufzeigt, wie wichtig es sein kann, sich mit der Vergangenheit auseinander zu setzen, um diese loslassen zu können und eine Chance zu haben, in der Gegenwart ankommen zu können. Nach einem interessanten und neugierigmachenden Anfang nehmen die Dramen so sehr überhand, dass es zu konstruiert wird, um völlig zu fesseln und am Ende wirklich nachzuhallen. Es bleibt unfertig und trotz der vielen Ereignisse bleiben alle Enden der Geschichte lose nebeneinander. So hat mich der Roman leider nicht gänzlich überzeugt