Um es vorab zu sagen:
Es ist das beste Buch, das ich bis anhin zu dieser Thematik gelesen habe!
Schmalenbach bringt einen umfassenden Blick in die Frauenfrage ein und stellt diesen in den ihm gebührenden Kontext von Glaube UND Kultur.
Im ersten Kapitel wird die ganze Problematik, Fragestellung und auch Polemik thematisiert, die Argumentationslinien der verschiedenen Lager und Positionen in Sachen GleichWERTigkeit und GleichbeRECHTigung der Frau referiert.
Das 2. Kapitel bietet ein überaus lesenswerter, spannender Exkurs zum Begriff, Thema und Inhalt von ‘Kultur’, kulturellerer Ausformungen, dem sozialen Gefüge und Gefälle.
Erst im dritten Kapitel steigt Schmalenbach in die Bibel ein, wobei sie zunächst ihren hermeneutischen Schlüssel/Zugang offen legt. Dabei nimmt sie nicht die ‘Lupe’ der paulinischen Aussagen, um die Schöpfungsordnung zu beleuchten und zu erklären, sondern wagt den Versuch, die Schöpfungsberichte ‘aus sich heraus’ zu sehen und zu verstehen. Dazu wirft sie wiederum einen Blick in die ‘Entstehungskultur’, ebenso in die Wortbedeutungen und den geschichtlichen wie gesellschaftlichen Kontext. Im Leben Jesu spürt sie seinem Umgang mit Frauen, der damaligen sozialen Ordnung und der Thematik von Schöpfung und Erlösung nach.
Nach einem weiteren Exkurs in die Thematik ‘Kultur’ - diesmal explizit und ausschliesslich in die römisch-griechische - nimmt sie die Schlüsselstellen, die aus den Briefen des Paulus in die Debatte eingebracht werden, in Augenschein. - Paulus kann NUR auf dem Hintergrund seiner damaligen Kultur (und somit kulturellen Erziehung und kulturellem Verständnis) verstanden werden. Erst in dieser Einordnung werden dunkle oder auch und gerade ‘Anti-Frauen-Stellen’ verständlich - und sogar einsichtig. - Und erst auf diesem Hintergrund wird klar, dass es nicht um allzeit gültige Universalwahrheiten geht, sondern um ein kultur- und zeitbedingtes Argumentieren, das dem sozialen Frieden diente, um das Evangelium nicht um seine Kraft zu bringen.
Darauf folgt ein ebenfalls interessanter Exkurs durch die Kirchengeschichte und die Entwicklung der Frauenfage von der Urkirche bis hinein in unsere Zeit. Ersichtlich wird dabei, wie gerade die griechisch-hellenstische Kultur und ihr philosophisches Denken die Stellung der Frau und ihrer Dienste in der sich immer mehr institutionalisierenden und strukturierenden Kirche negativ beeinflusste (Aristoteles). Als dem ‘GottesWISSEN’ einen höheren Rang gegenüber der ‘GottesBEZIEHUNG’ eingeräumt wurde, wurde auch die Frau immer mehr an den Rand (und den Herd) gedrängt. Diese Entwicklung wurde vor allem in den ‘Erweckungsbewegungen’ der evangelischen Kirchen immer wieder aufgebrochen - und vielfach doch wieder zurück gedrängt. - Ein sehr aufschlussreiches Kapitel.
Im letzten Kapitel sodann macht sie die von ihr aufgeworfenen Fragen und gewonnen Erkenntnisse fruchtbar für ein neues ‘Missionsverständnis’, bei dem es nicht in erster Linie darum geht, unseren Glauben und unsere Kultur über zu stülpen, sondern in die Freiheit des Evangelium im Kontext der vorgefundenen Kultur einzuführen. Im Respekt gegenüber der Ursprungskultur wird Wandlung möglich, wo diese nötig ist.
Ein wirklich empfehlenswertes Buch für alle, die an der Frage interessiert sind und ein breit abgestütztes, solides Fundament für die Diskussion suchen. Ein Buch, das keine vorschnelle Antwort parat hat - dafür Perspektiven auf Zukunft hin.
(Bei diesem Buch handelt es sich um die 2., überarbeitete Auflage, bei der Schmalenbach die neusten relevanten Publikationen sichtete und verwertete.)