London, 1857. Das grösste Schiff aller Zeiten, 6 Masten (man musste sie neu benennen, weil es keine Begriffe gab in der Seefahrt für solch eine Riesin, man nannte sie nach den Wochentagen Monday-Friday). 4 Schornsteine, 2 Schaufelräder, 211 m lang, für 4000 Passagiere und 400 Mann Besatzung, läuft quer vom Stapel. Es ist so riesig, dass man es nicht drehen kann, damit es Bug voraus ins Wasser gleiten kann, also hat man eine komplizierte Vorrichtung gebaut, parallel zur Themse. Die Vorrichtung ist fehlerhaft und ein Mann stirbt - vor Tausenden Schaulustigen. Der Stapellauf wird verschoben, ein ums andere Mal. Als es endlich glückt, stirbt der Konstrukteur, Isambard Brunel an einem Herzinfarkt mitten in der Zeremonie. Fortan gilt das Schiff als verflucht, keiner traut sich drauf. Anwesend ist unter anderem Jack Trace, freischaffender Cartoonist und Zeichner. Das Schiff wird ihn lange Jahre begleiten, es wird seine Karriere befördern, er wird mit ihm über den Atlantik reisen, aber das weiss er noch nicht.
In Amerika baut sich ein schwerreicher Fleischindustrieller mit einem österreichischen Ingenieur und seiner Ehefrau, die Musikerin ist, ein Bühnenbild zusammen für ein Theaterstück, das Geld einbringen soll für das Jahrhundertprojekt: Die Verlegung des ersten Transatlantiktelegraphenkabels. Fehlt nur noch ein begnadeter Erzähler, und den findet er in Chester Ludlow, ebenfalls Ingenieur. Chester ist verheiratet mit Franny, sie haben soeben ihre Tochter Betty verloren, und Franny arbeitet sich langsam wieder in die Welt der Lebenden zurück - aber sie wird nicht gänzlich über den Verlust hinwegkommen. Eines Tages kommt Otis Ludlow zu Besuch. Er ist um die Welt gereist und hat von einem Schamanen in Malakka das transatmosphärische Reisen gelernt. Bei einer Art Séance erblickt Franny kurz die Gestalt Bettys und glaubt fortan, dass eine Verbindung existiert. Diese Verbindung wird sie später nicht mehr nachvollziehen können - aber sie macht sich einen Namen als Vermittlerin zwischen den Welten und zieht durch ganz Amerika mit ihrem Begleiter. Dr. Zephaniah Hermes ist ein Scharlatan, aber er gibt Franny, was Chester ihr nicht geben kann. Der folgt seinen Aufträgen und Geldgebern und reist mit der Theatervorstellung nach London. Dort führen sie in den Spielclubs die Szenerien auf und verdienen tatsächlich so viel, dass das Projekt loslegen kann.
Die Geschichte ist komplex, die Hauptfiguren verlieren und finden sich wieder, sie feiern Erfolge und scheitern. Der Teppich der Ereignisse ist dicht gewebt. Das Buch ist satt und fein gesponnen, aber trotzdem nicht langfädig. Der Erzähler überspringt auch mehrere Jahre, wenn er findet, dass zwischen den Meilensteinen nichts gesagt werden muss.
Die Tragik der Ereignisse zieht einen in den Bann. Ich habe das Buch mit viel Interesse an den geschichtlichen Details, aber auch mit tiefer Einsicht in die Charaktere lesen können. Es gestaltet sich zu einem stimmigen Ganzen.
Respekt habe ich vor dieser grossen Leistung. Wie schwer war es für unsere Vorfahren, Signale über den Atlantik zu schicken? Kaum einer ist sich das heutzutage noch bewusst. Der Originaltitel lautet übrigens: “Signal & Noise”.
Und Sting hat auf seinem Album von 2013 “The Last Ship” diesem Ozeanmonument eine Hymne verfasst. “The Ballad of the Great Eastern”.