Die Bretonen sind vielleicht nicht bekannt für heitere Aufgeschlossenheit Fremden gegenüber und doch schafft es Franziska Jebens in ihrem Roman, den Wunsch zu wecken, genau diesen Ort zu bereisen. Mit ihrem sehr eingängigen Schreibstil schafft sie es, Bilder beim Lesen entstehen zu lassen, die mich direkt auf die Farm von Finn katapultiert haben.
Auch sind die Charaktere im Buch durch die feine Zeichnung sehr nahbar. Man hat auch hier direkt Bilder vor Augen.
Da ist die rastlose Cloe, die nichts anderes wollte, denn als Stylistin erfolgreich zu sein und sich ein Leben auf dem Land nun wirklich nicht vorstellen kann. Sie lebt vermeintlich ihren Traum vom ganz großen Glück.
Da ist Finn, le breton allemand und mit ihm alle Mitarbeiter auf seiner Farm und natürlich die anderen Bewohner in dem kleinen verschlafenen bretonischen Nest. Gerade die Nebenfiguren Aurelie und Louanne werden mir in Erinnerung bleiben.
Als Cloe den letzten Wunsch ihrer „Nenn-Oma“ Helene erfüllt und in die Bretagne reist, um auf einem Biobauernhof zu helfen (statt 4 Wochen Strand und Happy Hour zu genießen) weiß sie nicht, dass dies auch eine Reise zu ihr selbst werden wird. Sie wird mit ihrer Kindheit und Jugend konfrontiert und stellt sich immer drängender die Frage, ob sie nicht „bei all meiner beruflichen Wirbelei anscheinend den Blick fürs Wesentliche verloren“ hat. Dabei trifft sie immer wieder auf Louanne, die ihr mit Fragen und auch der Fähigkeit zuzuhören, hilft, einen neuen Blick auf ihr Leben zu werfen, ihr vielleicht auch den nötigen Stups gibt. („Weißt du, Veränderungen zuzulassen ist oft gar nicht so schlecht. Wie soll man sich sonst weiterentwickeln?“).
So entwickelt sich die Geschichte sachte und Stück für Stück. Ohne große Dramen und doch mit Spannung und einem langsamen Herantasten an die Liebesgeschichte. Sie nimmt die Leserinnen und Leser mit von der Glamor-Welt der Modeshootings hin zu dem einfachen Leben auf deinem Biobauernhof. Sie hinterfragt Lebensentwürfe ohne mit dem Zeigefinger zu drohen und gibt – je nachdem in welcher Stimmung das Buch gelesen wird – die Möglichkeit, sich diese Fragen selbst zu stellen oder einfach die Entwicklung von Cloe mit Interesse zu verfolgen.
Am Ende der Geschichte steht das Ja zum Leben und der Anstoß, immer wieder über das Leben und die getroffenen Entscheidungen nachzudenken – doch auf keinen Fall den Spaß und den Genuss aus den Augen zu verlieren. Vielleicht interpretiere ich in die Zeilen von Franziska Jebens auch zu viel rein, doch ich habe für mich ein paar Anstöße mitgenommen, um über Lebenswege und vor allem darüber nachzudenken, wie ich den wichtigen Personen und Erfahrungen im Leben mehr Zeit einräumen kann und sich nicht von dem heutigen Zwang der Selbstdarstellung leiten und blenden zu lassen. Wie sagt es Oma Helene: „….. dass man gründlich prüfen sollte, warum einen bestimmte Ereignisse aufwühlen, ärgern oder beschäftigen. Denn dies sei stets ein Anzeichen dafür, dass es auch etwas mit einem selbst zu tun hat“.
Ich habe den Roman sehr gerne gelesen und kann ihn für eine Leseauszeit sehr empfehlen.