Das Buch wurde 1907 geschrieben, dementsprechend ist die gewöhnungsbedürftige Sprache etwas gemächlich. Der Geheimagent gilt als erster Agent Thriller. Der Roman beschäftigt sich mit den gesellschaftlichen Hintergründen des Terrorismus und ist auch 100 Jahre nach seiner Entstehung noch verblüffend aktuell. Die radikalen anarchistischen Theorien und Diskussionen sind manchmal etwas verwirrend und langfädig beschrieben. Die Themen der Anarchisten Gruppe und deren gesellschaftspolitischen Gespräche sind recht komplex, dabei ist es mir nicht immer einfach gefallen, die Herren auseinanderzuhalten. Auch die Rollen der Gegenseite, des Inspektors, Polizeichefs und des Innenministers bereiteten mir diesbezüglich etwas Mühe. Der Plot der Geschichte liess sich allerdings wie ein Krimi lesen und hat mir sehr zugesagt. Die Familiengeschichte des Spions, in der sich der Ehemann seiner Frau gegenüber wie ein Vater verhält und die Schwester für ihren Bruder wie eine Mutter ist, fand ich sehr gelungen und interessant.
Bei meinen Recherchen über das Buch bin ich auf folgende Entstehung der Geschichte gestossen:
«Joseph Conrads Roman basiert auf einem historischen Vorfall: Am 15. Februar 1894 zündete der Franzose Martial Bourdin eine Bombe außerhalb des Königlichen Observatoriums im Londoner Stadtteil Greenwich Park. Der erst 26-jährige Mann kam bei dem Attentat als Einziger ums Leben. Joseph Conrad erschien das Verbrechen vor allem aufgrund seiner Sinnlosigkeit als Tragödie: Nicht einmal die Außenwände der Sternwarte wurden beschädigt; keine noch so abstruse politische Idee wurde der Öffentlichkeit auch nur im Geringsten nähergebracht. Als Conrad seinem Schriftstellerkollegen Ford Madox Ford sein Entsetzen über diesen Vorfall schilderte, gab der Kollege trocken zur Antwort, der Täter sei ohnehin ein halber Idiot gewesen und seine Schwester habe übrigens später wegen der Sache Selbstmord begangen. Damit hatte Conrad bereits das Gerüst seiner Romanhandlung.
Die tatsächlichen Ereignisse des 15. Februar 1894 ähneln stark dem im Roman beschriebenen Attentat. Bourdin verließ früher am Tag sein Zimmer in der Londoner Innenstadt und fuhr mit der Straßenbahn nach Greenwich Park. Dabei wurde er von Zeugen mit einem Paket in der Hand beobachtet. Wie im Roman explodierte die Bombe offenbar durch ein Missgeschick zu früh: Bourdin zog sich schwerste Verletzungen zu und starb eine halbe Stunde später in einem Krankenhaus in der Nähe des Tatorts.»
Dieser geschichtliche Hintergrund finde ich sehr bereichernd, informativ und interessant!
Übrigens verfilmte Alfred Hitchcock 1936 den Roman unter dem Titel Sabotage. Und 1996 entstand die Wiederverfilmung des klassischen Spionageromans unter der Regie von Christopher Hampton.