Ein Herzensbuch – ruhiger, schöner Erzählstil
Ein Baum wächst in Brooklyn erzählt hauptsächlich einige Lebensjahre von Francie Nolan, als Kind bis zum jungen Erwachsenenalter. Francie wächst als Kind in einer eher armen Arbeiterfamilie auf. Von klein auf begleiten sie Bücher und das ist auch ihre grosse Leidenschaft: das Lesen. Zum Lesen hinzu kommt das Schreiben und wenn sie nicht liest, beobachtet sie die Welt. Sie muss schon als klein Verantwortung übernehmen. Ihr Vater hat nicht immer Arbeit und die Mutter geht putzen. So muss sie auf ihren kleinen Bruder Neeley aufpassen. Ein Rückblick um einige Jahre zeigt die Eltern als junge Leute, wie sie sich kennengelernt haben. Das hilft dem Verständnis für die Situation und die Beziehung. Katie, die Mutter, ist die Vernünftige. Sie kann das wenige Geld einteilen und schafft es sogar, mit System zu sparen. Jeder Cent muss umgedreht werden und meistens gibt es nur Essen, das hauptsächlich aus altbackenem Brot hergestellt wurde. Der Vater singt und tanzt – er ist ein herzensguter Mensch und gleichzeitig schwach und auf eine gewisse Weise gescheitert. Nicht im Umgang mit seiner Familie, das gar nicht. Auch die weitere Familie kommt ins Spiel, mit ihren ganz unterschiedlichen Charakteren.
Man erlebt Francie und ihren Bruder heranwachsen und erwachsen werden. Man kann die Entwicklung buchstäblich miterleben. Die Demütigungen, welche die Familie und ganz besonders die Kinder ärmlicher Herkunft dulden müssen, ist erschütternd. Keine Achtung. Die Wissbegierde von Francie und die Bedeutung von Bildung und Büchern ist herausragend. Francie wird ein Teenager, will ans College gehen und kann mit ihrer Intelligenz auch die Prüfungen bestehen. Schon als sehr jung (14 Jahre alt) arbeitet sie neben der Schule und verdient recht gutes Geld. Auch wenn nun der erste Weltkrieg ausbricht, geht es da weiter und es gibt Hoffnung.
Mich begeistert das Buch absolut – ich möchte sagen, in diesem Jahr mein Liebling. Es hat mich sehr berührt, mitgerissen und oft traurig gemacht. Gescheiterte Existenzen, die schwierigen Lebensumstände und die gesellschaftlichen Widrigkeiten haben mir zu schaffen gemacht. Das Buch ist in einem ruhigen Erzählstil geschrieben. Alles kommt authentisch daher. Es gibt keine dramatischen Darstellungen Ereignissen und Begegnungen, die Prise Humor ist genau so ruhig eingebettet wie die Tränen.
Die Charaktere sind sorgfältig ausgearbeitet, jeder in seiner eigenen Art, unverkennbar und völlig passend auch mit ihrer Lebenseinstellung und der Art, anderen Menschen und dem Leben zu begegnen.
Das Buch hat mich von der ersten bis zur letzten Seite in den Bann gezogen und auch jetzt noch schwingt es mit. Oft hat mich das Lesen auch traurig zurückgelassen, im Denken daran, dass es sehr wirklichkeitsnah ist und das Leben vieler Menschen ein Drama mit ruhigem Erzählstil ist.
Ein Buch mit Herz, welches das Herz berührt. Eine absolute Lesensempfehlung!