Wo ist Sigurd Torp?
Eines Morgens, seine Frau Sara schläft noch, verlässt Sigurd das gemeinsame Haus in Oslo, um sich mit seinen Freunden zu treffen. Mit Thomas und Jan Erik ist ein Wochenende in einer Hütte in den Bergen geplant. Sigurd kommt dort jedoch nicht an und die beiden Freunde rufen bei Sara an. Die selbstständig arbeitende Psychologin Sara war in einer Sitzung, als Sigurd Stunden zuvor versucht hat, sie telefonisch zu erreichen. Seine Nachricht, die er daraufhin hinterlassen hat, ist kryptisch. Kurz darauf wird in dem gemeinsamen Haus eingebrochen. Besteht da eine Verbindung zum Verschwinden ihres Mannes?
Auf dem Cover steht auf einem dicken gelben Klebepunkt „Grosse Thriller-Sensation aus Schweden“. Leider empfand ich diesen Thriller von einer Sensation weit entfernt. Dies hatte mehrere Gründe.
Erstens war mir die Protagonistin Sara durch das ganze Buch über unsympathisch. Sara, die das ganze Buch über in Ich Perspektive erzählt, ist chronisch genervt. Von ihren Patienten, Jugendlichen mit den verschiedensten psychischen Problemen. Von ihrem Mann Sigurd, ihren Freunden, dem Haus, das sie gemeinsam umbauen, ihrer Schwester und deren Familie, der U-Bahn, Ich fragte mich, ob diese Figur überhaupt einmal im Leben über etwas Glück oder Zufriedenheit empfindet? Oft habe ich mich gefragt, ob die Psychologin Sara nicht selbst psychologischen Beistand nötig hat? Sara ist auch sehr lethargisch. Da ängstigt sie sich fast das halbe Buch über, dass jemand immer wieder in ihrem Haus herumschnüffelt, kommt jedoch erst nach Wochen auf die Idee, das Türschloss austauschen und eine Ueberwachungsanlage einbauen zu lassen. Dasselbe mit ihrer Arbeit. Sara arbeitet als Psychologin und immer wieder hatte ich den Eindruck, ihre Patienten sind ihr zu viel und sie macht nur das absolute Minimum, was sie erledigen muss.
Dann empfand ich den Start ins Buch, ungefähr die ersten 50 Seiten, sehr, sehr langatmig. Endlos erzählt Sara da von ihrer Arbeit. Der Blick in drei Sitzungen mit Jugendlichen mit den unterschiedlichsten Problemen wird in die Länge gezogen.
Dann plötzlich der Lichtblick.
Sigurd verschwindet und ab da wandelt sich die Geschichte. Unterschwellig spürt man, dass da mehr ist als das Verschwinden von Saras Mann. Ich konnte jedoch lange Zeit, dieses diffuse Gefühl nicht fassen oder benennen. Ich habe Sara nicht über den Weg getraut. Erzählt sie, was sie sehen möchte oder handelt es sich um reale Erlebnisse? Diese Seite der Geschichte ist sehr gutgeschrieben.
Die Auflösung hätte ruhig wirkungsvoller gestaltet werden dürfen. Ich hätte zwar nie mit dieser Auflösung gerechnet, sie hat mich aber auch nicht vom Hocker gehauen. Denn sie wird, wie alles in dieser Story, unnahbar und emotionsarm präsentiert.
„Die Psychologin“ ist das Debüt der Autorin Helene Flood und ich musste mich zuerst an ihren spröden, emotionslosen und gemächlichen Schreibstil gewöhnen. Mit diesem Buch hat sie einen ruhigen Thriller geschaffen, der jedoch mit der unterschwelligen Art doch etwas Spannung erzeugt. Dieses bisschen Spannung reicht zwar bei weitem nicht, um wie auf dem Cover angekündigt, als Sensation durchzugehen, hat mich aber nie mit dem Gedanken spielen lassen, das Buch abzubrechen.