Inti Flynn, eine kanadische Biologin, siedelt mit ihrem Team Wölfe in den schottischen Highlands an, wo sie lange ausgestorben waren. Teilweise erwächst ihr von den Schafzüchtern und Bauern erbitterter Widerstand, welche die “Bestie” grundsätzlich ablehnen. Aber es ist nicht nur die Geschichte der Wölfe - es geht hier um eine junge Frau, Inti, die nicht nur Wölfe über alles liebt, sondern unter einer seltenen Fähigkeit leidet, welche eine neurologische Störung ist: die Mirror-Touch-Synästhesie. Inti spürt körperlich alles, was sie sieht! Wenn sie sieht, wie ein Tier vor ihr getötet wird, so spürt seinen Todesschmerz. Wenn sie meschliche Gewalt sieht, so ist dies für Inti, als ob dies ihr selbst geschähe. Das gibt ihr eine unmittelbarer Nähe zur Wildnis und ihrer Bewohner.
Inti ist nicht allein. Bei ihr ist ihre Zwillingsschwester Aeggie, die grosse psychische Probleme hat und für die Inti sorgt..
Charlotte McConnaghy hat hier einen sehr einfühlsamen und tief gehenden Roman geschrieben. Ganz salopp gesagt - das Buch hat mir “den Ärmel reingezogen”! Mal zeichnet die Autorin ganz zart wunderschöne Bilder und dann wieder schlägt sie so brutal zu, dass mir der Atem stockt. “Wo die Wölfe sind” spricht vor allem Menschen an, die ein starkes Empfinden für Natur und Wildnis haben. Es spricht nicht nur an, es fordert! Es fordert die Leser, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wer sie selbst sind. Gehören sie zu den Menschen, die in ihrer digitalisierten Betonwelt jeden Bezug zur Natur verloren haben? Die kein Jota ihrer zivilisierten Wohlfühlwelt preisgeben wollen, um anderen nichtmenschlichen Lebewesen den Lebensraum zuzustehen, was letztlich das Überleben unserer eigenen Spezies möglich macht? Der Wolf spaltet die Gesellschaft wie kein anderes Lebewesen. Er weckt Ängste, geschürt durch Märchen und Lügen, welche seit Jahrhunderten erzählt werden. Und doch ist er wie kaum ein anderer Beutegreifer in der Lage, biologische Vielfalt und Balance zu schaffen.
Das Buch zwingt uns dazu, Partei zu ergreifen. Und letztlich zeigt es einmal mehr auf, dass die wirkliche Bestie nicht der Wolf ist - sondern der Mensch. Vor allem vor dem Hintergrund der Welt, welche derezeit aus den Fugen zu geraten scheint.
Ein grandioses Buch!