«Ihr Weg führte so unausweichlich aufeinander zu, dass er allerhand Abzweigungen auf der Strecke begünstigte.» - Zadie Smith
Was für ein Juwel von einem Buch mit einer wunderschönen, faszinierenden Sprache. Ich habe dieses Buch geschenkt bekommen und ging ohne Erwartungen an die Geschichte heran und wurde dadurch umso mehr überrascht! Ich war überwältigt von der tieferen Wahrheit hinter Caleb Azumah Nelsons Worte. Vor allem bei der Liebesgeschichte hatte ich das unheimliche Gefühl, der Autor habe mir direkt in den Kopf geschaut, während er seine Geschichte niedergeschrieben hat.
«Du schaust in den Spiegel und siehst, dass du kein Feigling bist, aber feige warst, und dass du nicht böse bist, aber sie verletzt hast, und dass du nicht peinlich bist, aber dich schämst.»
Der Roman wird aus der «Du-Perspektive» geschrieben. Somit entsteht ein sehr nahes Gefühl zur männlichen Hauptperson, einem schwarzen Fotografen, der in London wohnt. Erstaunlicherweise kam ich trotz dieser Wahl, in der 2. Person zu erzählen, schnell in die Geschichte hinein. Den Namen der Hauptperson und seiner Geliebten erfahren wir nie. Allgemein kriegen nur sehr wenige, aber dann meist essenzielle Charaktere, einen Namen. Viele werden nur nach ihrer Funktion genannt, oder schlicht als «Freund» bezeichnet.
Der Fotograf trifft im Winter auf eine Tänzerin, und fühlt sofort, dass seine Welt aus den Angeln gehoben wurde. Aber zu diesem Zeitpunkt ist die Tänzerin noch die Freundin seines besten Freundes und so entwickelt sich erst eine Freundschaft. Mit dem Nahen der Sommermonate entwickelt sich auch ihre Beziehung weiter.
Die Liebesgeschichte beschreibt unter anderem das Ringen zwischen dem Vertrauen, dass nötig ist, um sich nackt und verletzlich zu zeigen sowie der Angst, dass der andere nicht nur das Schöne, sondern auch das Hässliche in einem sehen kann, und dem Wunsch nach authentischer Kommunikation.
Neben der Beziehung ist das Erforschen des «schwarzen Lebens» zentral im Roman. Die Hauptperson ringt mit «sehen» und «gesehen werden» und dem Gefühl, ein schwarzes Gefäss zu sein, in das jeder seine Definition, seine Ängste, seine Wut hineininterpretieren kann. Der junge Mann hadert mit dem Schmerz, der Furcht, dass jeder Tag der Tag sein könnte, an dem seinem Leben ein willkürliches Ende bereitet wird.
Die Metaphern rund ums Schwimmen haben mich besonders berührt und zum Nachdenken angeregt. Die Metapher vom Schwimmen wird zuerst gebraucht, um die Liebe zwischen den zwei Hauptpersonen zu beschreiben. Sie schwimmen beide aufs offne Meer hinaus, in der Hoffnung, im Bangen, dass der andere folgt. Später wird es auch als Metapher für den Rassismus und das alltägliche Leben eines Schwarzen gebraucht. Für den Protagonist besteht das Gefühl, in der Tiefe schwimmen zu müssen, weil auf der Oberfläche des Wassers Öl schwimmt. Dieses Öl sorgt dafür, dass man erstickt, wenn man den Mund aufmacht, aber auch im tiefen Wasser ertrinkt man, wenn man keine Luft mehr kriegt. Persönliche und gesellschaftliche Traumas werden immer aus der Tiefe des Meeres aufstiegen und an die Oberfläche kommen, denn «im Schatten ist kein Trost».
«Du weisst, dass lieben beides bedeutet: schwimmen und ertrinken.»