Nach Holland?
Ausgerechnet nach Holland sollen die vier Schwestern Yella, Amelie, Helen und Doro auf Einladung ihrer Mutter reisen. Die fast 70 Jahre alte Henriette Thalberg müsste doch wissen, dass Bergen an der holländischen Nordseeküste schlechte Erinnerungen in den Schwestern weckt. Vor 20 Jahren ist dort ihr Vater tödlich verunglückt und seither haben sich die Schwestern Stück für Stück voneinander und von Henriette entfernt. In Bergen hatte die Familie früher viele schöne und glückliche Sommerferien verlebt. Dort waren sie die Sommerschwestern, eine längst vergangene und auch vergessene Zeit. Doch wenn die Mutter pfeift, spuren ihre Töchter und so reist jede mit vielen Gedanken und Fragen nach Holland. Warum plötzlich diese Zusammenkunft? Was verheimlicht Henriette ihren Töchtern?
Sehr schnell macht in dieser Geschichte der Buchtitel Sinn. Genauso schnell begreift man, dass sich hinter diesem Titel „Die Sommerschwestern“ keine heile Familienwelt verbirgt. Denn in der Familie Thalberg hängt so vieles schief und viele Altlasten werden nach Holland mitgeschleppt.
Da ist zuerst mal die älteste Schwester Doro, die rechthaberisch, bestimmend und mir durch und durch unsympathisch war. Sie springt mit ihren Schwestern auf eine Art und Weise um, die ich mir verbitten würde.
Die Zweitälteste ist Yella und da fast die ganze Geschichte über aus ihrer Sicht erzählt wird, kommt sie dem Leser automatisch am nächsten. Das empfand ich ab und zu als einseitig und ich hätte gerne vermehrt erfahren, wie ihre Schwestern sie sehen. Denn Yella leidet unter Minderwertigkeitskomplexen, ist dauergestresst, mit zwei kleinen Söhnen und ihrem Mann David, der auch mal mit ihr Tacheles redet betreffend ihrer Familie.
Die Zwillinge Helen und Amelie sind grundverschieden und wohl die Figuren der Kernfamilie, die am blassesten sind.
Henriette, die Mutter der Vier, zeigt Attitüden, bei denen man gleich sieht, dass Doro ihre Tochter ist. Oft habe ich gedacht: „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“. Vor allem gegen Yella schiesst Henriette mit Vorliebe ihre Giftpfeile ab. Dass sich die 33-jährige Yella von ihrer Mutter distanziert hat, kann ich verstehen.
Holland wird anschaulich und so beschrieben, wie nicht Holländer sich das Land vorstellen. Tulpen so weit wie das Auge reicht und eine Rad fahrende Bevölkerung geistern durch die Geschichte. Die Autorin konzentriert sich gegen Mitte Buch auf die Lebensumstände der Frauen der Familie Thalberg und das zieht sich ordentlich. Was in Kapitel eins lebendig und frisch beginnt, wird leider gegen Mitte kurz langatmig¨. Erst als die Schwestern in Holland angekommen sind, wird es wieder flüssiger und fesselnder.
Hier brechen sehr viele alte Konflikte hervor und brodeln offen oder versteckt. Sehr gelungen empfand ich, wie Yella in Erinnerungen verfällt, die melancholisch, wehmütig und traurig sind. Immer wieder brechen bei allen Frauen alte Verhaltensmuster hervor und werden durch das Beispiel eines gemeinsamen Minigolfspiels deutlich. Das mich im übrigen auch sehr erheitern konnte.
Mich habe die Sommerschwestern gut unterhalten und durch den Grund, weshalb Henriette ihre Töchter nach Holland zitiert, hatte ich das Buch auch in 2 Tagen gelesen. Denn ich wollte einfach unbedingt wissen, warum vier erwachsene Frauen ihrem Beruf, ihren Partnern und ihren Familien für 5 Tagen den Rücken kehren.