Inhalt vgl. Cover
Der Einstieg in das Debütwerk von Jane Austen (1811) war nicht ganz einfach, weil mit wenig Details die ganze Familie beschrieben wurde. Nachdem ich mir einen Stammbaum gezeichnet hatte, ging es dann… Den Schreibstil empfinde ich als kompliziert, sehr förmlich und umständlich. Ein Beispiel eines sehr lange Satzes mit zig Nebensätzen, gespickt mit bildhaften Details:
“Beruhigt durch die Gewissheit, dass sie nichts getan hatte, um ihr gegenwärtiges Unglück zu verdienen, und getröstet durch die Überzeugung, dass Edward nichts getan hatte, um ihre Achtung zu verscherzen, glaube sie selbst jetzt, unter dem unmittelbaren Einfluss des schweren Schlages, sich so weit beherrschen zu können, dass ihre Mutter und ihre Schwestern keinerlei Verdacht bezüglich der Wahrheit schöpfen würden.”
Ich kann mir gerade durch diesen Schreibstil und die Details sehr gut vorstellen, wie der Umgang auch in der Familie dannzumal gewesen ist und welchen Gesellschaftsnormen das Leben zu entsprechen hatte. Interessant erachte ich die Gedanken der Autorin, die zur Zeit, als sie ihren ersten Roman geschrieben hat, 36 Jahre alt und wie ihre Schwester unverheiratet war, so dass Beziehungsthemen wohl eher theoretischer Art gewesen sind.
“Vielleicht hatte es ihm wie vielen anderen seines Geschlechts ein bisschen die Laune verdorben, als er merkte, dass er aufgrund einer unerklärlichen Voreingenommenheit für äussere Schönheit der Ehemann einer sehr einfältigen Frau war; aber sie wusste, dass diese Art Missgriff zu häufig vorkam, als dass ein vernünftiger Mann auf Dauer darunter leiden konnte.”
Die unterschiedliche Ansichtsweise der Schwestern Elinor und Marianne über die Liebe fand ich amüsant; Mariannes Ansichten scheinen mir für jene Zeit sehr fortschrittlich und dass sie sich getraut, diese vor 200 Jahren auch offen mitzuteilen, erachte ich schon als bewundernswert.
“Die Frage der Selbstbeherrschung entschied sie ohne Zögern: Leidenschaftliche Naturen (Anmerkung: Marianne) waren dazu ausserstande, nüchterne verdienten dafür keine Anerkennung (Anmerkung: Elinor)”.
Es fällt mir schwer, mir meinen Alltag so vorzustellen. Was haben denn die Schwestern in dieser Familie zu tun? Ihre Tage scheinen von der Vorbereitung, der Durchführung oder der Teilnahme an Einladungen bei immer wieder den gleichen Leuten geprägt zu sein. Im Haushalt arbeiten müssen sie anscheinend nicht, weil sie mehrere Bedienstete haben. Auch wenn sie nur von den Zinsen ihres vermutlich eher bescheidenen Vermögens leben, geht weder die Mutter noch eine der drei Schwester einer Arbeit auswärts des zur Verfügung gestellten Hauses nach. Auch scheinen sie keine Freiwilligen-Arbeit zu verrichten. Wieso eigentlich nicht?
Die Themen die diese Leute beschäftigen, scheinen immer die gleichen zu sein. Bei den Frauen die bestmögliche Verheiratung ihrer Töchter. Ausserdem viel Gerede und Vermutungen über Verbindungen, die gerade am Entstehen sind. Neid, Missgunst und Intrigen haben in einer solchen Tagesgestaltung ein Leichtes. Überrascht hat mich, dass das Thema “Geld” - wer wieviel “wert” ist, wer mit wieviel Geld pro Jahr rechnen kann etc. so offen diskutiert wurde. Das ist heute nicht der Fall.
Ich werde in absehbarer Zeit “Pride and Prejudice” in der Originalsprache lesen und bin gespannt, wie ich den Schreibstil empfinde.