Nein - unmöglich! Dieses Buch kann man nicht kommentarlos weglegen - wenn man nicht zu einer Stellungnahme heraus gefordert wird, so doch zum Nachdenken!
Hanya Yanagihara lässt Norton Perina seine Lebensgeschichte schreiben, auf Drängen seines Freundes R. Kubodera. Perina sitzt im Gefängnis, wegen sexueller Nötigung von Kindern und blendet zurück bis in seine Kindheit, Schulzeit, Studium, die ersten Jahre im Labor und dann die Reise auf Ivu’ivu, um zusammen mit einem Antropologen ein bisher unbekannten Volk zu entdecken und zu erforschen. - Was letztendlich den Stein ins Rollen bringt… der auf ihn selbst zurück fallen wird.
In ihrer Erzählung greift Yanagihara viele komplexe Fragen auf - ohne einfache Antworten zu geben - ja, sie gibt nicht einmal Antworten! - Der Lesende (in meinem Fall die Hörende) wird mit vielen Gegebenheiten konfrontiert:
- da sind einheimische Rituale - die bei uns strafbar wären - darf man sich darüber entsetzen?
- Perina nimmt sedierte und narkotisierte Menschen zu Forschungszwecken mit - heiligt der Zweck das Mittel?
- diese überalterten und dementen Personen werden unter erbärmlichen Umständen gehalten, nachdem von Staates wegen durchgegriffen wird, kann Perina nicht begreifen - ist es tatsächlich eine Entwurzelung?
- das von ihm entdeckte ‘Selene-Syndrom’, das auf den Verzehr von Schildkrötenfleisch zurück geht und zu einer ‘körperlichen’ Unsterblichkeit führt, wird zunächst ohne den Hinweis auf den geistigen Verfall publiziert - erlaubt die Sucht nach Ruhm und Anerkennung alles?
- …
Man könnte noch unendlich viel mehr Fragen anfügen, di mehr als Rhetorik sein wollen!
Letztendlich wird die Insel von veschiedensten Pharma- und Kosmetik-Konzernen überrant und geplündert, die Schildkröten ausgerottet, die Menschen ‘zivilisiert’ - ein Desaster pur.
Perina adoptiert im Laufe mehrerer Reisen dorthin über 40 Kinder. Auf den ersten Blick also ein Philantrop… Doch wenn man ihn dann vor allem das Materielle aufzählen und von AUFZUCHT von Kindern (!) reden hört, läuft einem ein Schauder den Rücken hinunter…
Alles in allem keine leichte Kost - vor allem die Kapitel mit ‘Victor’, wo alles komplett entgleist, entsetzen. Der Nachtrag, der eine von Kubodera unterschlagene Fussnote ist, lässt einen fassungslos zurück - vor allem, weil selbiger Kubodera sowohl Perina in der genannten Tat quasi ‘heilg spricht’ und das Schändliche ‘glorifiziert’.
Die Geschichte als solches ist ‘fiktiv’, aber biografisch ‘angelehnt’, was man (ich) mit Recherchen heraus findet - für mich ein wenig eine Erleichterung - denn das Grauen wäre zu gross - obwohl man (ich) doch weiss, dass es tagtäglich statt findet….