1969 schließt sich Eleonora in Turin einer kommunenähnlichen WG an und versucht mit ihren Mitbewohnern gegen das Fiat-Werk aufzubegehren. Demonstrationen und Streiks bestimmen ihr Leben. Bis sie ihre große Liebe kennenlernt und Mutter wird. 15 Jahre später hat ihre Tochter Rosalia einen großen Traum. Sie möchte als Fußballerin Karriere machen und von einem namhaften Club unter Vertrag genommen werden. Eine ungeplante Schwangerschaft, einige Jahre später, verändert ihr Leben von Grund auf. Tochter Milena lernt ihren Vater nie kennen und wächst bei ihren Großeltern auf. Als ihr Großvater, Eleonoras Mann, stirbt, wachsen die drei Frauen zusammen und finden auf einer Reise nach Italien wieder zusammen.
„Via Torino“ wird als Familienroman beworben, was meiner Meinung nach so nicht richtig ist. Drei Frauen aus drei Generationen derselben Familie machen halt noch keinen Familienroman aus. Die Autorin hat das halbe Buch über in zwei Erzählsträngen Großmutter und Mutter in das Zentrum gestellt. Diese laufen ohne Berührungspunkte, nur mit dem Wissen des Klappentextes, dass es sich hier um Mutter und Tochter handelt, nebeneinanderher. So sind die beiden Stränge wie Einzelgeschichten, andere Berührungspunkte gibt es keine.
Einerseits ist da Großmutter Eleonora, die 1969 aus dem behüteten Elternhaus in München nach Tübingen zum Studium geht, dieses abbricht und schlussendlich in Turin landet. Studentenunruhen, Demonstrationen und Streiks im Fiat- Werk werden hier kapitelweise und sehr langatmig beschrieben. Da Eleonora in einer kommunenähnlichen WG in Turin lebt, werden immer mehr Figuren in ihr Leben involviert. Die Autorin hat seltsamerweise reine Nebenfiguren sehr detailliert beschrieben. Man erfährt von ihnen Wichtiges aus ihrem Leben oder ihrer Familie, sowie zu ihrer Vergangenheit. Kaum erfahren, verschwinden diese Figuren wieder in der Versenkung. All diese detaillierten Beschreibungen sind nicht nur ermüdend, sondern auch unnötig.
Im zweiten Strang erfährt man, wie Mutter Rosalia 1984 ihren Traum von einer Profifußballkarriere zu leben versucht und schlussendlich einen anderen Weg einschlägt. Dieser Strang empfand als weniger schleppend als die Kapitel um Eleonora. Allerdings werden auch hier Nebenfiguren zu viel Platz eingeräumt.
Ansatzweise Familienroman findet man, als Enkelin Milena 2009 und auf Seite 168 ins Spiel kommt. Hier machen sich die drei Frauen auf zu einer Reise nach Süditalien, was umfangreicher hätte erzählt werden dürfen. Dafür hätte man die Kapitel „Eleonora 1969“ mit den seitenlangen Beschreibungen von Demonstrationen und Streiks kürzen können.
Durch die rare direkte Rede kommt die Geschichte wie eine Erzählung daher. Leider beinhaltet diese Form auch, dass die Figuren blass blieben. Es ist immer anders, wenn eine Figur in einem Buch direkt sagt, was sie fühlt und denkt, als wenn da erzählt wird, wie sich die Figur gerade fühlt.
Das zweite Drittel des Buches zieht sich ganz schön und ich war froh um hin und wieder ein paar Passagen, die mich gefesselt haben. So konnte mich zum Beispiel Rosalia und ihr Traum einer Fußballkarriere fesseln. Das waren Aufblitzer, die mich bei der Stange gehalten haben.
Das Land Italien ist allgegenwärtig. Einerseits handelt ein grosser Teil des Romans in Italien, andererseits ist die Familie italienischstämmig und muss sich als italienische Gastarbeiter in München gegen Rassismus wehren. Immer wieder machen italienische Sätze oder Ausrufe die Herkunft der Frauen klar.