Ein kleiner, kränklicher Mann – allein auf dem Deck eines großen Ozeandampfers, sein Blick in die Ferne gerichtet, ohne wirklich etwas zu fixieren. Vielmehr richtet sich der Blick des Mannes nach innen und in die Vergangenheit. Diese Szenerie öffnet Robert Seethaler in einer sehr rudimentären Sprache, keine Ausschmückungen, die die Phantasie des Lesers einschränken. Bei mir ist sofort ein Bild vor dem inneren Auge aufgetaucht und so hat mich diese Szenerie durch das ganze Buch begleitet. Auch lässt Seethaler immer wieder wunderschöne Bilder beim Lesen entstehen, selbst wenn er nur über einen Wassertropfen schreibt „An die dicken Tropfen, die frühmorgens an den Fichtennadeln hingen und die kühl und rein und würzig waren. Jeder Tropfen trug den Geschmack eines ganzen Waldes in sich.“
Die Bedeutung der Musik für den Protagonisten der Geschichte wird an vielen Stellen des Buches deutlich, er kann die Anwesenheit der Musik förmlich spüren „In der Dunkelheit konnte er ihre Anwesenheit fühlen, als sei sie ein Lebewesen, das atmete und dessen gewichtsloser Körper sich immer weiter ausdehnte, bis er das ganze Zimmer auszufüllen schien.“. In der sehr distanzierten Sprache ist für mich auch die Kälte in der Beziehung der Eheleute Mahler zu spüren, die an vielen Stellen des Buches auftaucht. Am Ende hatte ich fast Mitleid mit diesem Mann, der von so vielen als Genie verehrt wurde und doch so unglücklich und gefangen scheint.
Bis zum Schluss hat sich mir allerdings nicht erschlossen, warum sich Seethaler Gustav Mahler zu seinem Protagonisten erkoren hat. Die Geschichte könnte von jeder anderen Person handeln, wäre wahrscheinlich nicht weniger eindringlich. Eine besondere Beziehung zu Mahler oder dessen Musik wurde für mich auch nicht auf der Lesung deutlich, bei der ich Robert Seethaler erleben durfte. Es bleiben Fragezeichen, die Lektüre hat mich sehr ambivalent zurückgelassen. Vielleicht muss ich weitere Bücher von Seethaler lesen, um mir den Zugang zu seinem literarischen Schaffen zu ermöglichen.