Er ist kein “Gmögiger”, der Tell, wie ihn Joachim B. Schmidt ihn uns beschreibt. Wir erleben ihn als in sich gekehrten Menschen, der sich nur soweit mitteilt, wie es nötig ist. Etwas Dunkles umgibt ihn. Er jagt lieber, als dass er sich mit Menschen umgibt. Seit sein Bruder von der gemeinsamen Jagd nicht nach Hause gekommen ist, kümmert er sich um den Hof hoch über dem Isenthal und hat den Platz im Bett neben dessen Frau eingenommen. Sein Pendant, der Gessler ist ein melancholischer Feingeist, einer, der sich als Statthalter des Königs ausgesetzt und ausgeliefert fühlt. Sein Adlat ist Harras, einer der die Bauern und das gemeine Volk hasst und sich nimmt, was er braucht. Ihm ist der verweichlichte Vogt suspekt, und der Augenblick, als Tell dem Walter den Apfel vom Kopf schießt, die Gelegenheit, Gessler vorzuführen. Nur zu gerne reibt er dem verhassten und kultivierten Gessler vor die Augen, wie knapp er einem Attentat entronnen ist. Dass wir die Geschichte Tells von Seiten seiner Familie, dem Dorfpfarrer und Gesslers Entourage geschildert bekommen, macht den Reiz dieses Buches aus. Die Ursache des dunklen Wesens von Tell erfahren wir zum Schluss des Buches. Da spielen dann durchaus aktuelle Themen eine Rolle, ein übergriffiger Pfarrer etwa und das Trauma der Betroffenen. Die Tell-Story ist bekannt, doch hier ist sie so erzählt, dass auch Netflix sie verwerten könnte: Zeitgeistig, mit psychologisch interessanten Protagonisten, starken Frauen und reichlich dramatischen Beiwerk.