Die Journalisten Thomas Kolbe und Martin Hahn fahren ins Gefängnis in Bautzen, um über den Gefängnisalltag einen Artikel zu schreiben. Es ist 1979 und in diesem Gefängnis der DDR sitzen vorwiegend Staatsfeinde, die von der Stasi inhaftiert wurden. Martin trifft zufällig einen ehemaligen Jugendfreund auf dem Gefängnishof. Frank bittet ihn inständig, seine 8-jährige Tochter Delphine in den Westen zu bringen.
Als Schweizerin bin ich wenig bewandert in der Geschichte um die DDR. Klar sind mir Basics, wie die Mauer oder die Diktatur der ehemaligen DDR - Regierung, bekannt. Gespannt habe ich mir „Flucht“ vorgenommen und ebenso gespannt darauf gewartet, ob ich durchblicke in dem komplizierten Konstrukt rund um die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik. Dies ist mir dank der anschaulichen Beschreibung und lose gestreuten Erklärungen gut gelungen.
Der Autor hat eine fesselnde Geschichte rund um das tragische Schicksal der verschiedensten Figuren mit den geschichtlichen Details der damaligen Zeit verwoben. Da wäre zuerst ein mal Martin Hahn, der als Journalist ständig darauf achten muss, was und wie er etwas schreibt und veröffentlicht. Starre Regeln und ein Journalismus, der sich innerhalb dieser Regeln bewegen muss. Etwas, was kaum vorstellbar ist in der heutigen Zeit. Dass dabei die Motivation und der Enthusiasmus flöten geht, konnte ich nachvollziehen. Dies immer mit der Stasi im Nacken, die kontrolliert, unterdrückt und Menschen für nicht nennenswerte Vergehen einsperrt. Nun trägt Martin Hahn eine schwere Bürde mit sich: Das Versprechen, das er seinem alten Freund gegeben hat. Es gibt immer wieder Zeitwechsel, die sehr gut deklariert sind. So konnte ich problemlos folgen, obwohl sich die Handlung über viele Jahre zieht.
Berührt hat mich das Mädchen Delphine, die versucht, ihr hartes Leben zu meistern und dabei … doch lest selbst.
Ich habe dabei auch viel Neues gelernt, denn die Recherchen zu der damaligen Zeit sind hervorragend. So waren mir zum Beispiel weder die Ostberliner Flanke des Todesstreifens, noch die Organisation sogenannter Fluchthelfer bekannt.
Alles beginnt 2021 mit einem Mann auf einem Friedhof irgendwo in der Nähe von Berlin und die Geschichte endet dann auch genau dort, 2021 auf diesem Friedhof. Was wir Leser dazwischen erleben dürfen, ist eine Geschichte rund um DDR Schicksale und einer Sehnsucht nach einer weiten Freiheit im Westen. Schicksale, die nicht nur das eigene Leben verändern, sondern auch das der Nachkommen. Ich habe mich das ganze Buch über gefragt, wer dieser (namenlose) Mann aus dem Prolog ist und was er erlebt hat. Die Auflösung hat mich berührt und fassungslos zurückgelassen. Dies aus dem Wissen heraus, dass genau solche Erlebnisse, wie das dieses Mannes auch in der Realität so geschehen sind.
Der Titel passt ausgezeichnet zum Inhalt. Allerdings wird der Aufdruck „Roman“ auf dem Buch, dem Inhalt nicht unbedingt gerecht. Für mich war es wie ein Krimi, in dem auch Blut fließt, viel Spannung einen durch die Geschichte trägt und auch ein brutaler Verbrecher sein Unwesen treibt.