Ich denke, das Adjektiv im Titel dieser Rezension ist nicht zu hoch gegriffen: Einfach phänomenal, wie Madeline Miller den Faden griechischer Sagen und Mythologie zu neuem Stoff verwebt - und ein bildgewaltiges, episches Werk erschafft:
Im Mittelpunkt steht Circe, Tochter des Helios und der Nymphe Perse. Zunächst wird ihr ‘Anfangsleben’ in Göttlichen Gemächern’ geschildert, das sie letztendlich in die Verbannung auf die Insel Aiaia führt.
Dort wächst sie in ihre Begabung und Bestimmung als Kräuter kundige Hexe hinein. Vielschichtig wird das Leben der Circe erzählt und all jener, die an deren Insel zu ihrem Glück oder Unheil stranden - manch philosophisch-tiefrgründige Aussage zu Leben, Göttlichkeit, Sterblichkeit und Selbsterkenntnis… finden Platz in der Erzählung, die mich nachdenklich stimmten.
Die Dekadenz, Bigotterie, die Macht- und Rachegelüste, der Neid und die Eifersucht der Götter und Halbgötter war erschreckend real nachgezeichnet - real - nicht unbedingt in Bezug auf die ‘Götter’ (was ich ja nicht wirklich beurteilen kann 😉…), sondern durchaus auf das Leben, wie es uns in so manchen ‘Göttern um uns her’ begegnet…. So empfinde ich das Werk als vielschichtig - und verwoben mit dem Hier und Heute und zugleich als Anfrage an das je Eigene - obwohl das wohl nicht von der Autorin beabsichtigt war….
Der Schluss ist nicht fulminant, kein Ausrufezeichen, obwohl das Kapitel 25 kurz vor Schluss (Kap. 27) nochmals eine geballte Ladung an Dramatik enthält, die mich erschaudern liess. Das Ende war eher ein Doppelpunkt, der einen in eine bewegte Stille entliess. - In mir sind jedenfalls manch existentielle Fragen zu Bestimmung und Anlage aufgetaucht… wie sie auch Circe ‘gewälzt’ hat.
Übrigens: Für mich von Vorteil war, dass ich das Glossar mit den ‘handelnden Personen’ am Ende des Buches (ab S. 505) entdeckte. Zunächst war ich mit meiner neuen Göttlichen Gesellschaft etwas überfordert… Mithilfe dieser Auflistung konnte ich verstaubtes Wissen ent-stauben und fehlendes ergänzen.