Auf dieses Buch bin ich per Zufall gestossen, als ich einfach nach neuen Büchern gestöbert habe. Das Cover hat mich zuerst sehr angesprochen, danach der Titel und anschliessend der Klappentext. Dass es ein Klassiker ist, habe ich erst im Nachhinein erfahren. Da freute ich mich gleich noch mehr, da ich mich immer etwas schwer tue mit Klassikern. Dieses hier hat mich aber auf guter Weise sehr überrascht.
Jerusha Abbott ist eine 18-jährige Waise, die sich um die jüngeren Kinder kümmert. Da sie wegen ihren guten Noten, insbesondere in Englisch und das Schreiben, aufgefallen ist, schickt sie ein reicher Gönner aufs College. Die Bedingung: sie muss ihm jeden Monat einen Brief schreiben und über ihre Fortschritte informieren. Jerusha “Judy” ist ein schlaues Mädchen mit Humor und hat eine blühende Fantasy und aktive Auffassungsgabe. Da ihr Gönner anonym bleiben möchte, nennt sie ihn Daddy Langbein und schreibt ihm, sogar mehrmals monatlich, Briefe über ihre Ausbildung und Privatleben. Denn, er ist nun ihre ganze Familie. Judy entwickelt sich zu einer bescheidenen, schlauen und selbstständigen jungen Frau, die vieles lernt und schöne Momente erlebt. Irgendwann taucht ein gewisser Jervis Pendleton auf und sie beginnt ihn mehrmals in ihren Briefen zu erwähnen. Ob das was zu bedeuten hat?
Dass es ein Brief-Roman ist, habe ich nicht gewusst. Solche Bücher sind schon etwas heikel, da muss der Schreibstil zur Geschichte passen. Überraschenderweise hat mir der Stil sehr gut gefallen und ich las das Buch mit Freuden. Rührend, wie es für Judy angefangen hat. Ein schlaues Mädchen, dass ihr Potential nicht ausschöpfen kann, da sie ein Waisenkind ist. Und plötzlich ändert sich ihr Leben, als ein Gönner sie fördern möchte. Wir verbringen zusammen mit ihre Zeit auf dem College, was sie alles erlebt, welche Fächer sie Besucht und was sie im Privaten noch alles anstellt. Die Briefe sind mit viel Humor geschrieben, manchmal auch frech, manchmal engstirnig, manchmal poetisch. Judy ist sehr begabt im Schreiben, sie wird es garantiert zu einer Schriftstellerin schaffen. Sie ist nicht auf dem Mund gefallen und nutzt ihre Chance, so viel wie möglich zu lernen. Das Geheimnis um Daddy Langbein zog sich durch das ganze Buch und ich fragte mich, warum er anonym bleiben wollte. Warum schrieb er ihr nie persönlich, warum verbot er ihr gewisse Dinge, warum beschenkte er sie an Weihnachten? Ein komischer Gönner mit Herz, so habe ich ihn eingeschätzt. Dann, nach vier Jahren, als Judy ihren Abschluss hat, passierte das unvorhersehbare: sie trifft zum ersten Mal Daddy Langbein persönlich. Ich habe das nicht kommen sehen und ich war angenehm überrascht.
Ein wirklich süsser, frecher, witziger und gefühlvoller Klassiker. Auch, wenn in diesem Sinne nicht viel passiert, erfahren wir doch einiges aus Judy’s Leben. Denn die Briefe sind meist nach ihrer Laune geschrieben, die es so spannend gemacht hat. Vor allem, weil sie ihr Glück zu schätzen weiss und nicht ohne Grund einfach Geld angenommen hat. Sie nahm nur, was sie brauchte und schätze die kleinsten Dinge. Sehr tiefgründig und für alle zu Empfehlen, die gerne solche Geschichten lesen.