“Mein Name ist Ana, ich war die Frau von Jesus von Nazareth”, nach diesem Satz beginnen sicher schon die ersten zu Zweifeln, ob sie das Buch überhaupt lesen möchten. Eine Geschichte über den Glauben ist immer schwierig, aber hier lohnt es sich ganz gewiss.
Ana ist vierzehn, sie wächst als behütete Tochter eines einflussreichen Juden in Sepphoris auf. Sie kann lesen und schreiben und ihre Leidenschaft gehört den vergessenen Frauen aus der Thora, welche sie studiert. Sie schreibt deren Geschichten nieder und bewahrt die kostbaren Schriftrollen auf. Doch es kommt der Tag, an welchem sie mit einem alten Witwer verheiratet werden soll, damit ihr Vater im Gegenzug endlich als Landbesitzer dastehen kann. Auf dem Weg zum Tempel, um ihren Verlobten das erste Mal kennen zu lernen, stürzt sie, ein junger Mann mit dunklen Locken und seelenvollen Augen hilft ihr wieder auf. Diese Begegnung geht ihr nicht mehr aus dem Kopf. Sie trifft diesen Mann später durch Zufall wieder und sie lernen sich etwas näher kennen. Als ihr Verlobter stirbt und dessen Tochter das Gerücht in den Umlauf bringt, dass Ana ihm bereits beigewohnt hätte, wird sie nicht nur in den Augen der Leute zur Geächteten, auch ihr Vater möchte sie so rasch als möglich los werden. Er verspricht sie Herodes als Konkubine, doch Ana läuft davon. Als sie von Herodes Häscher gestellt wird, wird sie als Diebin und Hure hingestellt. Die Menschen lassen sich vom Hass anstecken und beginnen, Steine nach ihr zu werfen, doch da erscheint der Mann aus dem Tempel und bringt die Menschen zur Räson, wer kennt nicht die Worte, die er spricht “ Denn wer ohne Sünde ist, der werfe den erten Stein”.
Die beiden finden zusammen, ihre Familie ist froh, Ana los zu werden, auch dass ihre Tante Yaltha gleich mit ihr geht und sie zu ihrer neuen Familie begleitet, macht doch schon der ältere Bruder von Ana, Judas, genug Probleme.
Für ihre Leidenschaft, das Schreiben, hat Ana in den nächsten Jahren weder die Zeit, noch das Geld, und doch sammelt sie die Geschichten der Frauen, die Verbrechen, die an ihnen begangen werden. Ihr Mann wendet sich Johannes dem Täufer zu und ist oft abwesend. Die Vergangenheit wird Ana einholen und sie wird mit ihrer Tante fliehen müssen , wieder unter die Fuchtel eines starrköpfigen Mannes und wieder werden sie ihrer Rechte als Frauen beraubt werden.
Sue Monk Kidd zeichnet das Bild starker Frauen, die nicht aufgeben und für ihre Rechte kämpfen. Denn viele solcher Schicksale sind totgeschwiegen, nicht überliefert oder gar über die Jahrtausende abgewandelt worden. Sie stellen in biblischen Schriften meist eine Minderheit dar. Mit diesem Roman gibt sie ihnen eine Stimme, erzählt von Schicksalen und Bräuchen, die sich erschreckenderweise zum Teil bis heute gehalten haben.
Jesus von Nazareth ist in diesem Buch eine Nebenfigur, und doch erkennen wir die uns bekannte Geschichte aus der Bibel, da hat die Autorin nichts geändert, ausser die Tatsache, dass er hier verheiratet ist. Und warum auch nicht? In dieser Zeit war es eher ungewöhnlich, dass ein Mann nicht verheiratet war und dies würde auch gegen die jüdische Lebensweise verstossen. Hier schreibt die Autorin gegen das kirchliche Schubladendenkens an und geht davon aus, dass es eher wahrscheinlich war, dass er die Liebe aus eigener Erfahrung erlebt hat.
Ich war von diesem Buch völlig in den Bann gezogen und wenn ich die Stimmen im Netz anschaue, dann geht es vor allem Frauen genau so wie mir. Lassen auch sie sich auf dieses Buch ein, es lohnt sich.