Man wähnt sich in gutbürgerlichen Verhältnissen, ein kultiviertes musikbegeistertes Umfeld, die Hauskonzerte mit dem musikbegeisterten Vater, die da beschrieben werden und landet plötzlich in Situationen, wo sich die Eltern den Fragen der Kinder zu ihrer Vergangenheit stellen müssen. Das Buch spielt in den 50er-Jahren, Selge schildert seine Jugend in einem Haushalt, in dem alles gemacht wird, um das kollektive Trauma der Deutschen zu übertünchen. Wie wenigen Autoren zuvor gelingt es Selge, die Geisteshaltung dieser Generation zu enttarnen. Von denjenigen, die im dritten Reich Mitläufer oder gar Mittäter waren. Und wie die Fragen der Heranwachsenden diese Werte und Vorurteile hinterfragen. Der Vater ist besessen von guter Musik, beruflich in gefestigter Position als Gefängnisdirektor, und stets bestrebt, seinen Status zu erhalten und auszubauen. Die Mutter hält loyal und unterwürfig zu ihm, doch mitunter leidet sie unter der Verdrängung der Selbstver-wirklichung und wird darob krank. Die Erziehungsmassnahmen des Vaters arten nicht selten in Schläge aus, und auch die Lateinnachhilfe des Vaters zieht Ohrfeigen mit sich. Edgar, der Roman ist autobiographisch gefärbt, die Erzählstimme, ist ein Kind, das Grenzen sucht. Und die sind im aufstrebenden Nachkriegsdeutschland klar und eng gezogen. Weich wird der musische Gefängnisdirektor, wenn er von seinem Vater, seiner Jugend und jenen Nazigenerälen erzählt, die er als Vollzugsbeamte nach dem Krieg betreut hatte. Und da sind noch die Brüder, die mit Edgar aufwachsen. Sie begleiten diese Familiengeschichte am Rand. Ihr zum Teil tragisches Schicksal macht eine weitere extrem beeindruckend geschriebene Komponente dieses Buches aus. Das Buch liest sich so leicht, weil es aus der Sicht des heranwachsenden Edgars erzählt ist, oft lakonisch und nicht selten ergreifend.