Richard von Weizsäcker, späterer deutscher Bundespräsident, war Rechtspraktikant, als er im Team des Rechtsanwalts Hellmut Becker die Verteidigung seines Vaters, Ernst von Weizsäcker, im sogenannten “Wilhelmstrassen-Prozess” übernahm. Der Vater wurde als Kriegsverbrecher angeklagt, weil er im Dritten Reich unter Ribbentrop als Staatssekretär im Aussenministerium tätig war. In Ausübung dieser Funktion hat er eine Anfrage der SS, ob das Auswärtige Amt “irgendwelche Bedenken gegen die Deportation von 6000 französischen und staatenlosen Juden” habe, mit “keine Bedenken” beantwortet und sich dadurch in den Holocaust verstrickt. Gleichzeitig ranken sich zahlreiche Gerüchte um den Vater, er habe dem inneren Zirkel des Widerstands angehört und im Stillen ausharrend mitgemacht, um dadurch das Schlimmste zu verhindern. Für den Sohn Richard geht es um mehr als nur einen Strafprozess; es ist der Versuch eines Sohnes dem eigenen Vater, den er zuvor kaum kannte, näher zu kommen. In dem Roman prallen Vater und Sohn sinnbildlich für das alte, schuldbeladene Deutschland und die junge, erst im Entstehen begriffene, Bundesrepublik aufeinander.
Geschickt, durch eine ausgefeilte Montagetechnik und basierend auf einer umfangreichen Recherche (mit Quellenverzeichnis im Anhang) beschwört Fridolin Schley die Atmosphäre im Wilhelmstrassen-Prozess von 1947 herauf. Es ist ein Roman, der von den grossen Fragen “Gut und Böse”, , “Gehorsam und Gewissen” handelt, ohne dabei zu moralisieren.
“Die Verteidigung” kann ich all jenen wärmstens empfehlen, die sich für fundierte historische Romane, die Nürnberger Prozesse insbesondere oder einfach für Geschichten über familiäre Dramen interessieren.