June Jones liebt ihre Arbeit in der Bücherei Chalcot. Die Bücher sind ihre Welt, denn sie ist so schüchtern, dass sie sich ausserhalb ihres gewohnten Umfelds nichts zutraut. In der Bücherei trifft sie auf Menschen, denen Bücher ebenso wichtig sind wie ihr: Sie hilft dem Rentner Stanley mit dem Computer, die Schülerin Chantal erledigt ihre Hausaufgaben, dem elfjährigen Jackson gibt sie gerne Buchtipps. June hat ihre Routine, von der sie nicht abweicht – warum auch? Doch dann droht die Schliessung der Bücherei und June merkt, dass sie aktiv werden und ihre Stimme einsetzen sollte…
Erster Eindruck: Das Cover des Schutzumschlages (auch wenn ich kein Fan von Schutzumschlägen bin) gefällt mir aufgrund seiner auffälligen Farbe und Gestaltung sehr gut.
June arbeitet seit einigen Jahren in der Bücherei Chalcot, in der bereits ihre Mutter beschäftigt war. Sie war kurz davor, zur Universität zu gehen, als ihre Mutter erkrankte. June wollte sie pflegen und verzichtete daher auf das Studium; stattdessen erhielt sie die Möglichkeit, Teilzeit in der gleichen Bücherei zu arbeiten. Als ihre Mutter verstarb, hat sie an ihrer Beschäftigung keine Änderung vorgenommen. Die Bücher geben ihr Sicherheit. June vergleicht Situationen oder Menschen vielfach mit Büchern und deren Protagonisten – das hat mich nachdenklich gemacht, denn wenn jemand so sehr in der Bücherwelt lebt, scheint mir das nicht gesund zu sein. Ich selbst bin eine grosse Buchliebhaberin, aber das wahre Leben findet doch ausserhalb der Buchdeckel statt. Ihr Alltag wirkte auf mich geradezu lähmend. Linda, die Freundin von Junes verstorbener Mutter, hat mir sehr gefallen. Sie versucht immer wieder, June aus der selbstgewählten Isolation herauszuholen. Sie hofft, dass sie sich endlich von den alten Dingen ihrer Mutter trennt (June hat das Haus unverändert gelassen und Linda nennt es Mausoleum). Sie soll ein neues, aktiveres Leben führen.
Die drohende Schliessung der Bücherei schlägt ein wie eine Bombe: Nicht nur für June ist dies eine schlimme Nachricht, sondern auch für all die täglichen Besucher. Ein paar tun sich zusammen, um gegen die Schliessung zu kämpfen. Da Junes Chefin Marjorie ihr verboten hat, beim Widerstand mitzumachen, bleibt sie passiv – sehr zum Leidwesen von Stanley und seinen Mitstreitern. Stanley war für mich die grösste Figur in dieser Geschichte. Ich möchte an dieser Stelle gar nicht zu viel über ihn verraten, damit ich nicht spoilere.
Aufzustehen und sich für etwas einzusetzen ist für mich der zentrale Punkt dieses Buches, auch mal die Komfortzone verlassen (da muss ich mich an die eigene Nase fassen!)… Es war eine sehr ruhige Geschichte, die sich flüssig hat lesen lassen. Die Entwicklung war vorhersehbar (was mich aber nicht weiter gestört hat), das Ende fast ein bisschen zu märchenhaft – 4 Sterne.