Ein Buch, das mich gleichermaßen abgestoßen und angezogen hat. Ein Werk, das mich zur Weißglut brachte und gleichzeitig zum Staunen brachte.
Wer den Klappentext liest, rechnet mit einer futuristischen David-gegen-Goliath-Geschichte: eine zerstörte Erde, eine tyrannische Macht im All, eine Rebellin mit besonderen Fähigkeiten. Doch was man bekommt, ist weit mehr – oder weniger – je nachdem, wie man es liest. Denn Das Lied der Kämpferin ist keine gewöhnliche Geschichte. Es ist ein sprachlicher Fiebertraum, ein verstörendes Spiel mit Körpern, Gewalt, Erinnerung und Identität. Und es will nicht gefallen. Es will weh tun.
Yuknavitch schreibt, als gäbe es keine Regeln. Weder erzählerisch noch sprachlich. Alles ist möglich, alles erlaubt – und gerade das macht es so schwer, dem Buch zu folgen. Die Geschichte zerfällt in Fragmente. Drei Teile, in sich wieder gebrochen, sprunghaft, wechselhaft, widersprüchlich. Die Hauptfigur – eine moderne Johanna – wirkt weniger wie ein Mensch als wie eine mythische Projektion, allmächtig, unsterblich, überhöht. Und doch bleibt sie rätselhaft fern, emotional kaum greifbar.
Besonders in Buch zwei und drei gerät die Handlung ins Rutschen: Es wird geschlachtet, gehäutet, verbrannt – ein endloser Blutrausch zwischen Science-Fiction und Trash-Horror. Alles ist durch technologische Willkür erklärbar oder gar nicht mehr. Naturgesetze existieren nicht. Logik wird außer Kraft gesetzt. Spannung verliert sich im Beliebigen.
Und doch – zwischen all dem Chaos blitzen sie auf: Sätze von erschreckender Klarsicht. Gedanken, die weh tun, weil sie wahr sind. Aussagen über Macht, Gewalt, Sexualität, Erinnerung, Menschlichkeit, die den Kern unserer Zeit treffen. Es sind diese Passagen, die zeigen, dass Yuknavitch mehr ist als nur Provokation: Sie ist eine Autorin mit Vision, mit Tiefgang, mit Mut zur Zumutung.
Und diese Gedanken lassen einen nicht los. Ich habe beim Lesen oft innegehalten. Habe einzelne Sätze noch einmal gelesen – und dann lange nachgedacht. Über Männlichkeit und Krieg. Über Sexualität und Körper. Über Tierverhalten, Evolution, Moränen und Geschlechtswechsel. Über unsere eigene Natur. Nicht, weil das Buch Antworten liefert – sondern weil es Fragen aufwirft, die nachhallen.
Aber Yuknavitch ist auch ungenau. Begriffe wie „asexuell“ werden falsch verwendet, Liebe wird mit Sex verwechselt, Körperlichkeit ist alles – und gleichzeitig ist alles Körper. Vieles wirkt unfertig gedacht, emotional aufgeladen, aber begrifflich schlampig. Vielleicht ist das Absicht. Vielleicht ist es Stil. Vielleicht ist es einfach Überforderung.
Ich habe oft gezögert und wollte abbrechen. Ich war abgestoßen, gelangweilt, verwirrt. Und dann wieder gebannt, berührt, elektrisiert. Das passiert mir selten. Aber dieses Buch hat es geschafft.
Der Schluss – ein Gedicht, ein Fragment, ein Satz, eine Frage – trifft ins Mark. Er bleibt.
Das Lied der Kämpferin ist kein gutes Buch im klassischen Sinn. Aber es ist ein einzigartiges Buch. Und das ist vielleicht mehr wert.
📚 Weitere Rezensionen auf Deutsch findest du auf meinem Goodreads- und LovelyBooks-Profil.