Obwohl mir die Inhaltsangabe sofort angesprochen hat – ein Haus, in das man gehen kann, wenn man nicht mehr leben will, ein Ort ohne Gewalt, ohne Bahnsteig, ohne Schock – hat mich das Buch selbst nicht wirklich gepackt. Die Idee ist stark, und auch die Fragen, die Melle stellt, sind es:
Wie viel Selbstbestimmung ist möglich, wenn man psychisch krank ist?
Was bedeutet Sterben, wenn es kein Zurück mehr gibt?
Und warum darf man in dieser Gesellschaft eigentlich nicht einfach aufhören zu leben, wenn man nicht mehr kann oder will?
Trotzdem blieb ich beim Lesen seltsam unbeteiligt. Der Roman kreist fast ausschließlich um das Ich – Melles, das des Erzählers, oder beides zusammen. Alles dreht sich um ihn, seine Krankheit, seine Gedanken, sein Leiden. Das ist sicher ehrlich und konsequent, aber für mich war es zu viel Ich, zu wenig Welt. Die anderen Figuren bleiben Randgestalten, Projektionen, Stichworte. Und natürlich gibt es wieder zwei Frauen, natürlich entwickelt sich eine Art Beziehung, leise, andeutend, fast pflichtschuldig. Mich hat das eher gestört, es wirkte hineingeschrieben, nicht gewachsen.
Auch sprachlich trägt der Text diese Selbstbezogenheit: Er mäandert, wiederholt sich, verliert sich in Simulationen, die mich eher ermüdet als fasziniert haben. Ich verstand nicht, wozu sie da sind – warum man Menschen, die sterben wollen, noch künstliche Träume erleben lässt, wenn sie das Haus ohnehin nicht mehr verlassen werden.
Und doch: Es gibt in diesem Buch Sätze, die mich wirklich getroffen haben. Gedanken über den Freitod, über das Recht, das eigene Ende selbst zu bestimmen, über den Schmerz, der bleibt, wenn man nicht mehr leben, aber auch nicht sterben kann. Diese Sätze sind stark, weil sie ehrlich sind, und sie sagen etwas, das gesellschaftlich kaum jemand offen ausspricht. Ich habe einige davon aufgeschrieben, weil sie in mir nachklangen.
Insgesamt ist Haus zur Sonne für mich ein zwiespältiges Buch: sprachlich dicht, thematisch relevant, aber zu sehr um sich selbst gebaut. Melle denkt tief über Tod und Würde nach, aber seine Sprache schließt mich eher aus, als dass sie mich hineinzieht.
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