Richard Wagameses “Der Flug des Raben” ist ein Buch, das mich berührt hat, weil man spürt, dass viel von Wagameses eigener Lebensgeschichte in dieser Erzählung steckt. Das Schicksal von Garnet Raven, der als Kind von seiner Familie weggebracht und aus seinem Ojibwe-Reservat gerissen wird, erinnert auf erschütternde Weise an die Realität vieler indigener Kinder.
Es folgt eine aufreibende Reise: Garnets Suche nach Identität. Hin- und hergerissen zwischen verschiedenen Welten, auf der Suche nach einem Ort, an den er hingehört, verleugnet er erst seine Herkunft, versucht sich als Haitianer, Mexikaner und findet vorübergehend in einer schwarzen Familie Geborgenheit und Zugang zur Musik.
Der Brief seines leiblichen Bruders Stanley ist ein Wendepunkt. Die Frage, was “Zuhause” wirklich bedeutet, zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte. Garnets anfängliche Unsicherheit, seine Angst, nicht dazuzugehören und die Wiedervereinigung mit der Ojibwe-Familie sind eindrücklich und emotional dargestellt.
Eine der Schlüsselfiguren ist der Keeper. Er ist ein weiser, aber auch fehlerhafter Mann, der Garnet auf seinem Weg begleitet und ihm hilft, seine Wurzeln zu finden. Er ist der zweite Erzähler in diesem Buch und macht uns mit den Traditionen der Ojibwe-Indianer vertraut und erzählt auch, wie es kommt, dass nicht alle Heimkehrer im Reservat bleiben wollen. Die Freundschaft, die zwischen den beiden entsteht, ist das Herzstück des Romans.
Wagamese schreibt mit Wärme und einem feinen Humor. Scheinbar wird viel gelacht in seiner Heimat. Es ist eine Geschichte über Zugehörigkeit, Land und gelebte Gefühle und wie daraus Kraft und Gelassenheit entsteht.