Thomas Manns Buddenbrooks ist ein meisterhaftes Gesellschaftsporträt, das den Verfall einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie über mehrere Generationen hinweg schildert. Besonders gefällt mir, wie mit feinen Details die Atmosphäre des 19. Jahrhunderts einfangen wurde – von gesellschaftlichen Zwängen (Tonis Heirat z.B.) über wirtschaftliche Umbrüche bis hin zum Wandel familiärer Werte. Die Langsamkeit des Seins – ein Grundton, der sich durch das ganze Werk zieht, gab mir Raum zum Nachspüren und Verweilen. Ich habe selten so lang und viel über ein Buch nachgedacht. Wie es in der heutigen Zeit im Vergleich dazu ist. Wie so oft, ist es in manchen Bereichen besser und in anderen schlechter.
Toni ist meine Lieblingsfigur geblieben, obwohl ich manches nicht verstehe. Sie bringt mit ihrer unkonventionellen Art und ihrem Mut zum Trotz einen besonderen Glanz in die Familienchronik. Ihre Tochter Erika bleibt hingegen eher blass – gerade im Vergleich zu Hanno, der als letzte Hoffnung der Familie mit dichter psychologischer Tiefe beschrieben wird. Es ist schade, dass man über Erika so wenig erfährt, denn ihr Werdegang und Innenleben hätten sicher spannende Kontraste gesetzt.
Alles in allem ist Die Buddenbrooks nicht nur ein Roman über den Niedergang einer Familie, sondern auch ein wunderbares Werk über die Charaktere gefangen zwischen Pflicht und Individualität. Ich liebe Bücher mit Zwischentöne und Atmosphäre haben, darin entfaltet sich eine ganz eigene Schönheit.