Kathrin Wessling begleitet ihre Ich-Erzählerin, Katharina, durch ein turbulentes Jahr. Der Klappentext verspricht Freundschaften an ungewöhnlichen Orten, eine Lektüre, die Zuversicht spendet und Leichtigkeit verströmt und bei der Kathrin Wessling ihre witzige Seite zeigen könne. Hohe Erwartungen und damit wären wir einmal mehr bei meinem Lieblingsthema, den Erwartungen, denn meiner Meinung nach werden diese erst auf den letzten paar Seiten eingelöst. Sprich, bis dahin habe ich das Buch anders erlebt und es konnte die geweckten Erwartungen lange Zeit nicht erfüllen. Das wird jedem*r Leser*in anders gehen und ich bin in der Hinsicht schon sehr gespannt auf die Meinungen meines Buchclubs.
Wesslings Figur erfährt, dass sie keine Kinder mehr bekommen kann. Ihr Selbstverständnis als Frau, ihre Pläne und Träume für ihr Leben fallen plötzlich in sich zusammen. Der Ton ist geprägt von Unglauben, Trauer, Verzweiflung, Selbstmitleid – emotional eine intensive Lektüre. Wessling zeigt, wie stark unser Selbstwert abhängig ist von der gesellschaftlichen Norm und wie Soziale Medien dies noch verschärfen. Irgendwann schlagen Trauer und Verzweiflung in Trotz und Wut um und erst ganz zum Schluss kann sie anerkennen, was ihr Gutes bleibt. Dafür muss sie den Blick von innen nach aussen richten. Sie verbringt tatsächlich die meiste Zeit für sich, in ihrer «Höhle», wie sie ihre Wohnung nennt. Kontakt zur Aussenwelt hat sie nur über eine kleine Handvoll Freunde, die meiste Zeit stattdessen virtuell über die Sozialen Medien. Ihrer Arbeit als freischaffende Beraterin geht sie ebenfalls meist mittels Online-Sitzungen nach. «Sonnenhang» ist eine Tirade gegen starre Rollenbilder und Vereinsamung auch aufgrund veränderter Anstellungsverhältnisse. Wessling schreibt atemlos und so liest sich der Text auch: In Windeseile rauschen wir durch die Seiten, was insbesondere an Katharinas Bandwurmsätzen liegt. Sie hängt Emotionen, Gedanken direkt aneinander, verstärkt und verdeutlicht so unser Empfinden ihrer Situation, was mir gut gefallen hat.
Schade fand ich, dass wir sie die meiste Zeit isoliert erleben und ich so manche Sprünge im Verhältnis zu den Bewohner*innen des Altersheims nicht ganz nachvollziehen konnte. Da hatte ich an der ein oder anderen Stelle, dass mir Text fehlt. Auch da bin ich gespannt auf die Meinung der anderen.
Lange Rede «kurzer» Sinn: «Sonnenhang» ist meiner Meinung nach keine Feel-Good-Lektüre. Wer entsprechend frei von dieser Erwartung an den Roman herantritt, erlebt eine thematisch lesenswerte Geschichte. Der Roman hinterfragt unsere eng an gesellschaftliche Erwartungen geknüpften weiblichen Lebensentwürfe. Dass Frauen irgendwann Mütter werden, ist immer noch fest in unseren Köpfen verankert. Frauen müssen sich noch immer viel zu oft rechtfertigen, wenn sie keine Kinder haben. Ich vermute, dass keine Kinder bekommen zu können auch heute noch ein Thema ist, über das nicht und/oder ungern gesprochen wird. In der Hinsicht bietet der Roman hoffentlich Trost und Unterstützung, weil er das Thema in die Öffentlichkeit trägt und uns sensibilisiert.