Viele Stimmen, wenig Kontakt – und ein Leben, das zwischen den Zeilen verschwindet. Schattengänger will ein Buch über Einsamkeit sein. Und ist es auch. Vielleicht ein bisschen zu sehr.
Im Zentrum steht Jo Graber – oder besser gesagt: die Gedanken der anderen über ihn. Nachbarn, Kolleg*innen, seine Ärztin – alle haben etwas zu sagen. Nur Jo selbst bleibt stumm. Erzählt wird in kurzen Episoden aus wechselnden Perspektiven, was ich grundsätzlich spannend fand.
Allerdings fiel es mir anfangs schwer, die vielen Figuren auseinanderzuhalten – sie bekamen für mich zu wenig eigene Stimme oder Charakterprofil.
Der Roman greift ein relevantes Thema auf: soziale Isolation in einer Gesellschaft, in der sich viele nur noch um sich selbst drehen. Und er zeigt das auf eine fast schon schmerzlich stille Weise. Alle beobachten, alle spekulieren – aber keiner spricht mit dem anderen. Diese Atmosphäre fand ich eindrücklich, aber auch sehr bedrückend.
Was mir gefehlt hat, war eine Entwicklung – ein Moment, in dem das viele Schweigen gebrochen wird. Gerade zum Ende hin hätte ich mir mehr erhofft: mehr Handlung, eine Wendung, vielleicht auch nur ein kurzes Gespräch. Doch statt einem Höhepunkt versickert die Geschichte leise. Genau wie Jo.
Fazit:
Ein Roman, der zum Nachdenken anregt – über Einsamkeit, über Vorurteile, über uns selbst. Aber auch einer, der mich irgendwie kaum abgeholt hat.
Trotz guter Ansätze und gelungener Beobachtungen bleibt das Gefühl, dass mehr möglich gewesen wäre.
Von mir gibt es zögerliche ⭐️⭐️⭐️ – für ein Thema mit Potenzial, das leider nicht ganz ausgeschöpft wird.
Für alle, die ruhige Gesellschaftsromane mögen, in denen mehr gedacht als gehandelt wird.