Mensch ist kompliziert. Wäre er das nicht, gäbe es dann überhaupt Literatur?
Wird Mensch durch Literatur verständlicher? Oder verheddert er sich nur noch mehr?
Und wie steht es mit unserer Moral, Sinn oder Gespür für das “Richtige” (um nicht den übergrossen Begriff der Gerechtigkeit zu verwenden) - und deren Umwandlung in ein formales System, das Allgemeingültigkeit zwar anstreben mag, aber sie doch zwangsweise verfehlen muss?
Yasmina Reza erzählt anekdotenhaft aus dem Gerichtssaal. Es spielt dabei keine Rolle, wie klein und notwendigerweise beschränkt diese Ausschnitte sein mögen - selbst in ihrer Gänze erfasst blieben sie unvollkommen – ich meine, es geht eben gerade um gewisse Spotlights, Hervorhebungen und nicht zuletzt Kommentare sowie einen Anstoss, sich selbst ein Bild, eine Meinung zu machen. Oder eben: Einen Bildausschnitt, eine Teilmeinung.
Zweimal habe ich kurz nachgeschaut, ob der beschriebene Fall tatsächlich real sei. So unglaublich, schwer vorstell- oder fast schon nicht nachvollziehbar erschien mir das Beschriebene. Aber tatsächlich, so hat es sich zugetragen. Damit wollte ich Reza nichts unterstellen, aber es gibt diese Momente, da will man trotz aller Indizien eben doch noch einmal hinschauen – und wegschauen und dann wieder hinschauen, zweimal blinzeln, sich kneifen, eine scheuern. Ist das menschenmöglich?
Mensch ist tief, wie die See, wie ein Abgrund. Egal wie flach er erscheinen mag, sich geben mag, da ist Tiefe vorhanden – auch wenn sie manchmal nur mit Leere oder Müll angefüllt ist oder scheint.
Zwischendurch eingestreut sind Begegnungen und Impression aus ihrem Leben. Hier entzieht sich mir die umfassendere Bedeutung; um ehrlich zu sein, habe ich diese Stellen eher überflogen…
Letztendlich lassen sich die Texte auch mit der Überschrift “Fehlbarkeit” lesen. Die vorhanden ist in jeder Person, Rolle, jedem Verhalten, in Systemen, Urteilen, Taten, Denkweisen. Und so erscheinen mir der Mensch und all seine Verlängerungen wieder unendlich unabgeschlossen, was einen traurig und hoffnungsfroh, frustriert und erleichtert, konsterniert und melancholisch gelassen werden lässt……