Milena Michiko Flašars Roman zweier Aussenseiter liest sich am besten mit viel Zeit und Ruhe. Eine Geschichte, an der insbesondere die Sprache zum Geniessen einlädt. Flašar spielt mit Bildern, Eindrücken und mit der Länge ihrer Sätze, die teils unvollendet bleiben. Ähnlich wie Gedanken, die wir einmal beginnen, aber nicht zu Ende ausformulieren. Spannenderweise ist uns Leser*innen trotzdem bewusst, was sie auch mit ihren Fragmenten ausdrücken will. Flašar verzichtet auf die Kenntlichmachung der direkten Rede. Wer somit gerade spricht, kann auf den ersten Blick schwieriger einzuschätzen sein.
Es ist eine melancholische und zugleich hoffnungsvolle Geschichte. Schon zu Beginn hält unser Ich-Erzähler fest: «Diese Bank, auf der ich lernen sollte, dass nichts so bleibt, wie es ist, und dass es sich trotzdem lohnt, auf der Welt zu sein.»
Rückblickend erzählt der 20-jährige Taguchi Hiro von der Begegnung mit Ōhara Tetsu, den er «Krawatte» nennt. Beide sind sie, obgleich sie vom Alter her weit auseinanderliegen, an den Erwartungen der japanischen Gesellschaft zerbrochen. Beide sind sie Aussenseiter, Menschen mit einem Makel. Ist für sie überhaupt Platz in der Gesellschaft, fragt sich Hiro?
114 Kapitel sind auf 136 Seiten verteilt und diese kleinen Häppchen eignen sich vorzüglich zum langsamen Verzehr, am besten mit etwas Zeit und Musse, vielleicht auf einer Parkbank ;-)
Auch wenn der Roman und die rigiden Regeln fest in Japan verankert sind, so sind Hiros Beobachtungen für Menschen überall auf der Welt gültig: «[…] vielleicht […] ist es gerade dieses Ausstrecken, dieses Sich-Hinstrecken zum anderen, welches am dringendsten gebraucht wird.» Denn wir alle müssen unseren Platz im Leben, in der Gesellschaft finden. Wir alle müssen mit unseren Verfehlungen umgehen lernen. Uns allen tut es gut, wenn wir genau hinhören und hinsehen, wenn wir empathisch und nachsichtig sind, mit anderen, aber auch mit uns selbst.
Ein Buch für Japan-Fans, für alle, die ruhigere, nachdenkliche Romane lieben und ein Faible für sprachlich sorgfältig geschriebene Geschichten haben.