Wir begegen in diesem Buch mehreren Menschen, die ihren Lebensunterhalt mit Landwirtschaft verdienen. Die âalteingessenenâ Dörfler sind alle um die 60 Jahre alt und entsprechend eingefahren, haben Gesundheits-, Finanz- und/oder Eheprobleme und viel zu viel Arbeit, denn die Kinder ĂŒbernehmen in der Regel nicht mehr einfach so den Hof der Eltern, sondern ziehen in die Stadt oder in andere BundeslĂ€nder, studieren, leben ihr eigenes Leben. Ein umgekehrtes PhĂ€nomen ist der Zuzug gut situierter und gut ausgebildeter jĂŒngerer Leute um die 30/40, die âhinaus aufs Landâ wollen. So wie Lara und Ingo, zusammen mit ihren schulpflichtigen Kindern Erin und Erik. Sie haben sich einen âResthofâ gekauft - aber werden sie, die StĂ€dter aus Hamburg - er Manager bei einem Start-Up-Unternehmen, sie freiberufliche Grafikerin - wirklich den Rest ihres Lebens in diesem Kaff Fehrdorf verbringen? Dann gibt es noch Jutta und Armin, die âĂko-Hippiesâ, die vor 30 Jahren aus der Stadt ins Dorf gezogen sind, um eine WG zu grĂŒnden. Sie sind ĂŒbriggeblieben, nicht wirklich zusammen, aber gelegentlich doch. Auch sie werden im Laufe der Handlung eine wichtige Rolle spielen.
Aber die Handlung, was ist das hier ĂŒberhaupt? Das ist ein wenig das Problem des Romans. Der rote Faden, um den sich die ErzĂ€hlung lose windet, ist eigentlich, dass Ingo eines Abends, als er von Hamburg, wo er nach wie vor arbeitet, nach Hause pendelt, eine weiĂe Hirschkuh ĂŒberfĂ€hrt. Der ortsansĂ€ssige JĂ€ger und Schweinebauer Uwe, ein ewiger Junggeselle, erschieĂt mit Ingo zusammen das leidende Tier. Dumm nur, dass eine Prophezeiung sagt, wer eine weiĂe Hirschkuh tötet, wird innerhalb eines Jahres sterben. Das ist an sich schon sehr spannend, wird aber im Laufe des Plots oft aus den Augen verloren. Es geht vielmehr darum, die Dörfler und ihre Probleme detailliert zu beschreiben.
Und das ist tatsĂ€chlich die StĂ€rke des Romans. Besonders die Situation der lĂ€ndlich lebenden Frauen hat Martina Behm hervorragend eingefangen. Anhand der jĂŒngeren StĂ€dterin Lara beschreibt sie auf realistische Weise die Struggles einer arbeitenden Mutter, die sich fĂŒr die Kinder, ihren Mann, das Haus, den Hund und und und den Allerwertesten aufreiĂt. Die als SelbstĂ€ndige weiterkommen möchte und der nur Steine in den Weg gelegt werden. Das Mental Load, oh dieses verdammte Mental Load. Die unsichtbaren Tasks, die MĂŒtter immer und stĂ€ndig auf dem Schirm haben mĂŒssen und die kein anderer sieht oder macht. Auch Tove Wirtz, die um die 60 ist, hat ihr Leben fĂŒr andere gelebt: den undankbaren, cholerischen Mann, die beiden Söhne, die jetzt lĂ€ngst woanders wohnen, die Dorfgemeinschaft, den Hof. Wird auch sie nochmal ihr GlĂŒck finden? Uwe ist der unerwartete SympathietrĂ€ger des Romans. Seine Geschichte ist besonders herzzerreiĂend.
FĂŒr meinen Geschmack wurde die Handlung etwas zu sehr in die LĂ€nge gezogen. Man hĂ€tte hier sehr gut kĂŒrzen können, vor allem was die detaillierten Beschreibungen des Zubereitens von Nahrung, etc., angeht. Manches hĂ€tte ich genauer wissen wollen, anderes war mir hingegen zu ausfĂŒhrlich ausgearbeitet.