JonasZ Ich bin inzwischen voll bei den Buddenbrooks angekommen. Der erste Teil mit den vielen Leuten, dem Französisch und dem Plattdeutsch war offenbar nicht wegweisend für die Komplexität, sondern eine Einführung in die Traditionsfamilie mit ihrer Geschichte und allem, was während der Amtszeit des Opas en vogue war. Mit dessen Ableben und unserem nächsten Leseabschnitt vom 2. bis zum 4. Teil hat sich die Sprache verändert, sie ist moderner und flüssig zu lesen. Sehr schön zu lesen, die Sprache ist wie Samt.
Der Verfall des Bürgertums, den dieser Roman anhand der Buddenbrooks aufzeigt, ist schon eingeläutet: Die ersten Kratzer sind spürbar, zum Beispiel die Arroganz der Buddenbrooks, vor allem des Konsuls, gegenüber den ersten Aufbegehren des Volks. Es scheint, als ob sie die Revolution bzw. die Idee von Gleichheit geradezu absurd finden und kein bisschen ernst nehmen. Das Geburtsrecht der Bevorzugten sitzt tief im Fleisch und ist niedergeschrieben in einem Familienbuch, das über Generationen akribisch geführt wird. Im Allgemeinen stehen die Anliegen der ganzen Familie und der Firma über den individuellen Bedürfnissen und sie fühlen sich irgendwie unverwundbar.
Sogar Tony beugt sich dieser Tradition. Nein, sie lebt sie und ist stolz auf ihr Erbe. Thomas Mann beschreibt das so, als ob sie alles, was sie ausmacht, aus ihrer Familie bezieht und sie es nicht aus freiem Willen verändern könnte. Gottes Wille sei es, der sie und ihre Familie an diese besser gestellte Position gebracht hätte. Obwohl sie in Travemünde den Studenten Morten kennenlernt, einen jungen Mann mit revolutionären Gedanken, und sich auch verliebt (eine überaus rührende Passage am Strand auf den Steinen), verlässt sie den Ferienort ohne Versprechen. Sie höchstpersönlich ist es, die ihre Verlobung ins Familienbuch einträgt und sich dem Willen ihres Vaters beugt: Sie heiratet Grünlich, der ihr so zuwider ist.
Ich fand den Bankier Kesselring eine überaus lustige Figur, als er mit der Geldeintreibung bei Grünlich, die Trennung von Buddenbrooks provozierte. Dass Johann Buddenbrook zeitlebens ein schlechtes Gewissen hat, weil er seine Tochter an einen Gauner vermählt hat, ist für Tony von Vorteil. Es ist eine einigermassen akzeptierte Rückkehr in den Familienschoss, obwohl es der Konsulin höchst unangenehm ist. Scheidung war zu dieser Zeit zwar verpönt, aber Tonys Standesstolz bleibt ungebrochen. Das macht ihren Charakter aus.
Von Thomas und Christian erfahren wir noch nicht so viel. Ich gehe davon aus, dass in den nächsten Passagen mehr davon kommt. Dass der Vater immer religiöser wird und sein ganzes Leben der Familientradition untergeordnet hat, wird immer deutlicher. Aber nicht alle bleiben gern in diesem System: Es gibt Aufbegehren innerhalb der Familie: Gotthold, sein Halbbruder, hatte sich für eine Frau ausserhalb seines Standes entschieden, Liebe und wurde ausgeschlossen. Auch Christian scheint sich nicht an die Tradition halten zu wollen; er fröhnt den schönen Künsten und reist nach Übersee. Auch in anderen Bürgerfamilien gibt es Söhne, die eine “Belastung” seien. Auch hier wird das Abbröckeln bereits sichtbar, finde ich.
Der Tod Johann Buddenbrooks leitet eine neue Generation ein. Ich gehe davon aus, dass Thomas nun das Familien- und Firmenoberhaupt werden wird. Er hatte zwar eine Liebschaft mit einer Blumenverkäuferin, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er außerhalb seines Standes heiratet. Wir werden es erfahren…ich lese nun weiter.