Ich-Erzählerin Elisa hat Kunstgeschichte studiert, das Studium mit jeder Menge Zukunftsvisionen abgeschlossen, unerwartet ein unbezahltes Praktikum in einer Werbeagentur absolviert und ist nun, mehrere Jahre später, Head of Creative Strategy mit schöner Wohnung und tollen Klamotten. Was für andere traumhaft klingt, ist Elisas persönlicher Albtraum, der nur mit YouTube-Videos, Tagteäumen von Unfällen und Arbeitsunfähigkeit und Psychopharmaka ertragen werden kann.
Zynisch und scharfzüngig hinterfragt Beatriz Serrano in ihrem Debütroman Kapitalismus, Feminismus, unsere Vorstellung von einem erfüllten Leben und von Glück, unser Gesundheitswesen und unsere küchenphilosophischen Kalendersprüche, mit denen wir unsere Kaffeetassen und unseren Alltag zupflastern. Den Meeting-Alltag in grossen Unternehmen wiederum nimmt sie gnadenlos auf’s Korn. Elisas Geschichte ist dabei einerseits fest verortet in Madrid und der wirtschaftlichen Entwicklung Spaniens der letzten 20 Jahre und andererseits universell. Serranos Roman rüttelt auf, lädt uns dazu ein, unser Leben zu beleuchten, gegebenenfalls neu auszurichten und vor allem unser wirtschaftliches und gesellschaftliches System zu hinterfragen. Sie sagt dabei nicht, wie es auszusehen hat und bietet uns damit reichlich Gelegenheit zu diskutieren - auch über den Roman selbst oder über seine schwermütige Protagonistin, deren Unverfrorenheit mich immer wieder ungläubig schmunzeln liess.
Ein literarischer Büro-Roman, so unerwartet und pointiert, dass es nicht nur schwermütig, sondern auch eine Freude war.
Aus dem Spanischen von Christiane Quandt.