Wie kann man nur einen schweren Schlag nur so unglaublich unterhaltsam mit so viel Komik und dabei nie beschönigend und die Tragik in den Hintergrund rücken lassend schreiben. Meyerhoff kann das mit seiner Begabung, das Besondere im Gewöhnlichen zu sehen, seiner ganz eigenen Art, die Unwägbarkeiten des Lebens zu nehmen und mit ihnen umzugehen.
Joachim Meyerhoff im 5. Band seiner autobiografischen Romanreihe ist 51 Jahre alt. Er hat zwei Töchter aus erster Ehe und lebt in Wien mit Sophie und ihrem gemeinsamen kleinen Sohn.
Aus dem Nichts erschüttert ein schwerer Schlag sein Leben - ein Hirnschlaganfall. Das Ereignis des Hirnschlags mit dem Transport in die Intensivstation und die neun Tage im Krankenhaus sind Inhalt dieses Buches.
Joachim Meyerhoff erzählt von seinen Erlebnisse in der von ihm gewohnten Weise - beobachtend, vergleichend mit anderen Erlebnissen. Der Vorfall, die Suche nach einer für ihn geeigneten Intensivstation - Stroke Unit - die Untersuchungen, die Übungen mit der “guten Seite” und der “schlechten Seite”, die Störrigkeit von Hand, Fingern, Fuss gegenüber seinen Versuchen, diese gezielt anzusteuern. Die Beobachtung der anderen Patient:innen im Zimmer. Die Besuche seiner Familie und was ihm durch den Kopf geht. Und das ist eine ganze Menge - er beschreibt und erinnert sich beim Betrachten der Vorgänge an Vieles aus seinem Leben. An Erlebnisse mit seinem kleinen Sohn, mit seinen Töchtern. In den schlaflosen Nächten denkt er an eine Reise mit seinem noch verbliebenen Bruder, eine Reise mit Sophie nach Anatolien. Auf diese Weise erfährt man auch einiges über die Zeit seit seinem vierten Buch.
Es sind keine weltbewegenden Dinge, die man da erfährt - man hört einfach aus einem Leben, das aufgrund der Berufswahl etwas speziell ist und einen vor allem wegen der Art zu erzählen fesselt.
Sicher ist einiges übertrieben, aber so ist er, der Autor. Ich habe auch den Eindruck, dass er nicht gezielt komisch sein will, er ist so. Er macht sich auch nicht lustig über andere oder über Geschehnisse. Seine Art zu beobachten und was ihm an Gedanken anspringt sind einfach so und man kommt ihm beim Lesen nah.
- (beim MRT) Ich versuchte, es gut zu machen, und hielt ganz still. Sogar meine pelzige Zunge duckte sich wie ein Häschen in den Zungengrund.
- Sollte ich doch versuchen, zu schlafen? Ich schloss abermals die Augen, aber die Angst schoss heraus wie eine Muräne und schnappte mich. Ich vermisste Sophie und hätte mir gerne ihre Hand auf den Hinterkopf gelegt, um mir ein wenig die Neuronen streicheln zu lassen.
- Meine kleine Tochter (beim Besuch im Krankenhaus) stocherte mit der Gabel im Essenherum. “Was ist das, Papa?” “Fleischsalat.” “Fleischsalat?” “Ja, Fleischsalat. So heisst das.” Sie probierte. “Gar nicht mal so übel.” “Wenn er dir schmeckt, iss ihn bitte auf.” “Ihn?” “Ja, ihn.” “Wer ist ihn?” “Na IHN. DEN Fleischsalat.” “Achs o. Ich wusste gar nicht, dass man aus Tieren Salat machen kann.” Sogar die Hirnblutung musste bei diesem Satz grinsen.
- Ich sollte, dachte ich, eine Patientenverfügung machen. Auch ein Testament wäre nicht schlecht. Ein erstes Testament hatte ich mit sieben gemacht.
- Während der letzten Übung hätte ich selbst unter Androhung von Gewalt den Unterschied zwischen Kreuz und Kreis nicht mehr benennen können. Sie waren sich während der Übungen immer ähnlicher geworden. Nicht nur die geometrischen Figuren, nein, auch ihre Bezeichnungen glichen sich mehr und mehr. So rund war der Kreis nun auch wieder nicht gewesen. Und mehrere Kreuze sahen aus, als hätten sie sich als Kreise getarnt, wie Kreuze undercover.